Sollten Häuser denen gehören, die darin wohnen?
»Auf jeden Fall!« meint Ines Eixelsberger. Sie ist Bewohnerin des gemeinschaftlichen Wohnprojekts Kesselhof. Dort lebt sie mit 14 anderen Erwachsenen und drei Kindern selbstverwaltet zur Miete. Selbstverwaltet bedeutet in diesem Fall, dass Entscheidungen, die alle betreffen, basisdemokratisch von den Bewohner:innen entschieden werden. Sei es die Aufnahme neuer Mieter:innen, die Anschaffung eines neuen Küchengerätes oder der Anbau eines Fahrradunterstandes. Die Einbindung in das Mietshäuser Syndikat macht diese Form des Zusammenlebens möglich. Die Bewohner:innen haben die Entscheidungsgewalt über das Haus, gleichzeitig ist die Immobilie für immer unverkäuflich. Am 7. Juli führten die Bewohner:innen durch ihr Haus und berichteten über die Geschichte und Herausforderungen des Kesselhofs.
Bevor das Haus in Stuttgart Botnang zum Wohnraum für 18 Menschen wurde, hat es viele Veränderungen erlebt. Zunächst war es eine Wäscherei. Dann nutzte es ein Verlag als Lager. Danach wurde es als Fotostudio umfunktioniert. 2017 kauften die fünf Gründer:innen des Kesselhofs die Immobilie. Ein Abriss und Neubau waren keine Option. Zum einen wegen der Kosten. Zum anderen, weil das Gebäude von Grenze zu Grenze gebaut wurde. Das ist heute bei einem Neubau gar nicht mehr erlaubt, aber ein großer Vorteil, um möglichst viele Menschen unterzubringen.
Bei mehreren Baustellenpartys wurde das Gebäude kernsaniert. Bauliche Herausforderungen wie morsche Dachbalken und fehlende Stützwände wurden gemeistert. Und um mehr Menschen Platz zu bieten, wuchs das Haus in fast alle Richtungen. Vorhandenes nutzten die Bewohner:innen so effizient wie möglich. So wurden z.B. die Decken als Emporen erhalten, um mehr Wohnraum in den Zimmern zu schaffen. Oder eine Außentreppe wurde quasi vom Haus geschluckt und kann so weiter genutzt werden.
Um die Selbstverwaltung und Unverkäuflichkeit der Immobilie zu gewährleisten, ist ein Konstrukt aus Verein und GmbHs nötig. Eine GmbH wird gegründet, um die Immobilie zu kaufen. Ein Verein ist Gesellschafter dieser GmbH, hat die Geschäftsführung inne und kann somit die Entscheidungen treffen. Die Bewohner:innen des Hauses sind Mitglieder dieses Vereins. Gleichzeitig ist die Mietsyndikat GmbH Gesellschafterin. Sie hat dabei ein Vetorecht, um einen Verkauf unmöglich zu machen. In Deutschland gibt es mittlerweile rund 180 Projekte, die in dieser Form organisiert sind.
Der Kesselhof finanziert sich über Bankkredite, Schenkungen und Direktkredite. Mit Direktkrediten können Einzelpersonen oder Gruppen unkompliziert ein Projekt unterstützen. Olga Schmid erklärt charmant, dass die Leute so ihr Geld, das sonst auf dem Bankkonto liegen würde, einfach beim Kesselhof parken. Wenn sie das Geld wieder brauchen, können sie den Kredit zurückfordern. Eine hohe Zahl an Direktkrediten gewährleistet die finanzielle Sicherheit des Kesselhofs. Mit den Mieteinnahmen werden u.a. die Kredite abbezahlt. Das geschieht über einen sehr langen Zeitraum. Denn der Kesselhof möchte allen Bewohner:innen und Nachmieter:innen einen bezahlbaren Wohnraum anbieten.
Am 20. Juli gibt es eine weitere Führung durch den Kesselhof. festival.iba27.de
Leonard Negurita / IBA’27-Team