Position der IBA’27
Züblin-Parkhaus: Zähmung des Monsters oder Entsorgung als Abfall?
Das Bohnenviertel und das Leonhardsviertel sind zusammen das älteste Stadterweiterungsgebiet Stuttgarts mit einem großen Anteil an historischer Bausubstanz. Mit dem IBA’27-Projekt Leonhardsvorstadt / Züblinareal sollen beide Teilviertel wieder zu einem Quartier zusammengeführt werden.
Im Zentrum des Quartiers und des IBA-Projekts steht das Züblin-Areal mit einem in den 1960er-Jahren errichteten Parkhaus. Zur Entwicklung des Areals im Kontext der gesamten Leonhardsvorstadt hat die Landeshauptstadt Stuttgart zusammen mit der IBA’27 den breit angelegten Beteiligungsprozess Planspiel Zukunft Leonhardsvorstadt durchgeführt, in den alle gesellschaftlichen Gruppen und Interessensvertreterinnen aus dem Viertel eingebunden wurden. Das Zwischenergebnis als Basis für die weiteren Planungen wird derzeit in den politischen Gremien und der Öffentlichkeit diskutiert.
Eine Kernfrage der derzeitigen Diskussion zur neuen Mitte des Quartiers ist: Soll das Parkhaus als städtebauliche Wunde abgerissen werden, um Platz für eine grundlegende Neubebauung der Quartiersmitte zu schaffen? Oder könnte nicht auch die Grundstruktur des Parkhauses erhalten bleiben als Basis für einen Umbau und eine neue Nutzung?
Position der IBA’27:
»Ein differenzierter und vielschichtiger Beteiligungsprozess hat die Wünsche des Quartiers für eine städtebauliche Neuordnung und Verknüpfung von Bohnen- und Leonhardsviertel erfasst. Die bestehende Situation ist unbefriedigend, aber sie bietet große Chancen.
Das Züblin-Parkhaus ist ein Monument der autogerechten Stadt und wurde städtebaulich brutal und trennend in das Quartier gebaut. Die ablaufende Erbpacht im Jahr 2023 bietet die Chance, über alle zukünftigen Optionen nachzudenken – auch im Kontext weiterer Entwicklungen im Umfeld.
In unmittelbarer Nachbarschaft des Züblin-Areals entsteht anstelle des Breuninger-Parkhauses ein zukunftsträchtiger Mobilitätshub mit anspruchsvoller Architektur und das Haus für Film und Medien. Dazu findet zurzeit ein weiterer Architekturwettbewerb statt. In der Kirchengemeinde vor Ort läuft ein Prozess für eine Neuausrichtung der Leonhardskirche. Hier stehen weniger architektonische, denn betriebliche Konzepte im Vordergrund. Der Wettbewerb zum Umbau der Bundesstraße B14, die sich als vielspurige Schneise durch die Stuttgarter Innenstadt zieht, zeichnet die Vision einer stadtverträglichen Straße und überwindet die Trennung von Leonhardsvorstadt und der historischen Kernstadt. Es wird sich in den kommenden Jahren also viel verändern – und mit den Bauvorhaben kommen Belastungen auf das Quartier zu, die sorgfältig gestaltet und moderiert werden müssen.
Aber es besteht die Hoffnung auf eine Zukunft, in der mehr Kultur, mehr Bürgersinn und weniger Lärm und Verkehr die Lebensqualität in der Leonhardsvorstadt erhöhen.
Vor allem, dass Schlüsselgrundstücke in städtischer Hand oder im Besitz von gemeinwohlorientierten und kommunalen Unternehmungen sind, federt Befürchtungen ab, dass die Qualitätsverbesserungen zu einer Verdrängung angestammter Milieus führen. Die Lebensqualität muss und soll sich für die Menschen verbessern, die heute da sind; es geht allen Beteiligten nicht um eine Aufwertung von Immobilienpreisen, sondern von Lebensqualität.
Gerade dort, wo heute das Züblin-Parkhaus steht, und im angrenzenden Umfeld, sollen preisgünstiger Wohnraum, gemeinwohlorientierte Nutzungen, Freiflächen, Spiel- und Sportmöglichkeiten weiterentwickelt und intensiviert werden.
Ob die primären Strukturen des Züblin-Parkhauses dabei eine Rolle spielen können, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht seriös bestimmbar. Was wir heute aber schon wissen: Dass sich das Raumprogramm im bestehenden Bauwerk des heutigen Parkhauses mit An- und Neubauten grundsätzlich unterbringen ließe, dies zeigen erste Abklärungen. Wir wissen auch, dass Abbrüche und Neubauten schwere Eingriffe sind, die Orte über Jahre unwirtlich machen. Und wir wissen, dass wir in Zeiten des Klimawandels mit Bestandsressourcen sehr viel sorgfältiger umgehen müssen als bisher. Was wir noch nicht wissen: Wie die Tragfähigkeit, der bauliche Zustand, die technischen Rahmenbedingungen für den Erhalt und Umbau des Parkhauses aussehen, wie Barrierefreiheit und Brandschutz sichergestellt werden können. Dies braucht weitere Abklärungen.
Wenn es gelänge, die Anforderungen des Quartiers in die bestehende Struktur zu integrieren, würden Ressourcen geschont – und es würde ein leuchtendes Zeichen gesetzt: Das Bauwerk ›Parkhaus‹ kann mehr! Wenn sich aber herausstellen sollte, dass ein Abriss und Neubau größere Potenziale bieten, soll dieser unbedingt unternommen werden.
Um diesen Entscheid zu fällen, fehlen derzeit aber die technischen Grundlagen.
Niemand will das Züblin-Parkhaus in seiner heutigen Funktion erhalten. Erste Studien lassen aber vermuten, dass seine Struktur sich für die Nutzungswünsche des Quartiers eignet. Im Moment kann nur ein ergebnisoffener Prozess weitere Erkenntnisse liefern.
Die Rückführung auf eine kleinteilige Struktur als Argument für den Abriss scheint uns jedoch ähnlich zeitverloren, wie es der brutale Eingriff der Verkehrsplaner in den 1960er- und 1970er-Jahren war. Vorstellungen einer vermeintlich ›idealen Stadt‹ können wir uns nicht mehr als Argumente für Neuschöpfungen leisten – gerade, wenn es Bilder nach scheinbar Vertrautem, Altem sind. Die zukunftsfähige, resiliente und lebenswerte Stadt des 21. Jahrhunderts braucht neue Antworten und neue Wege, nicht den Rückschritt in eine verklärte Vergangenheit.
Wenn Ressourcenschonung und Bauökonomie eine Transformation des Züblin-Parkhauses in einen Baustein der Stadt der Zukunft nahelegen – eine Stadt die klimaneutral, energiepositiv und sozial integrierend sein muss, – sollten wir die bestehenden Ressourcen unbedingt nutzen. Die Zähmung des Monsters wäre ein zukunftsweisenderer Erfolg, als seine Beseitigung als Abfall und den Ersatz durch ein Bild, das schonungslos Ressourcen konsumiert und riesige Baustellen eröffnet, um scheinbar zu heilen.«