Gestaltungshandbuch
Qualität für ein Quartier im Wandel
Wie lässt sich das Wissen aus jahrelanger intensiver Planung und Zusammenarbeit sichern und für die Zukunft nutzbar machen? Wie bleibt die Vision eines lebendigen, nachhaltigen Quartiers auch in den kommenden Jahrzehnten greifbar? Seit dem Projektstart 2021 ist enormes Wissen und Engagement in die Entwicklung des IBA’27-Projekts »Tobias-Mayer-Quartier« in Esslingen am Neckar geflossen – von Architekt:innen, Landschaftsplaner:innen, Bauherrschaft, künftigen Bewohner:innen, der IBA’27, der Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung. Damit dieser kooperative Prozess langfristig Früchte trägt, haben die Projektträger nun ein Gestaltungshandbuch vorgelegt: ein Leitfaden, der die bisherigen Ergebnisse bündelt und den Weg für die weitere Entwicklung des Quartiers ebnet.
Das rund 150 Seiten starke Werk wurde in enger Zusammenarbeit zwischen Architekt:innen, Landschaftsplaner:innen, den Projektträgern, der IBA’27 und der Stadt Esslingen erarbeitet. Es dokumentiert die Erkenntnisse aus dem Entwicklungsprozess der vergangenen Jahre und ergänzt die formalen Vorgaben des Bebauungsplans um gestalterische, programmatische und atmosphärische Grundsätze.
Quartier mit sozialer Nachhaltigkeit im Fokus
Mit dem Tobias-Mayer-Quartier entsteht auf der Flandernhöhe im Esslinger Norden ein sozial nachhaltiges Wohnquartier, das den Bestand durch Neubauten ergänzt und vielfältige Grün- und Gemeinschaftsflächen integriert. Das Areal wird von der Esslinger Wohnungsbau GmbH (EWB) und der Baugenossenschaft Esslingen eG (BGE) gemeinsam mit der Wohninitiative AlWo entwickelt. Eines der Ziele: inklusiven und bezahlbaren Wohnraum für unterschiedliche Lebenssituationen schaffen. Es wird schrittweise realisiert und verbindet klassische und neue Wohnformen mit Gewerbe- und Gemeinschaftsflächen, die ein lebendiges Stadtteilleben fördern.
Die Grundlage für den kürzlich vom Esslinger Gemeinderat verabschiedeten Bebauungsplan ist der städtebauliche Entwurf des Wiener Büros Studio VlayStreeruwitz in Zusammenarbeit mit Carla Lo Landschaftsarchitektur. Die ersten beiden Gebäude, die bis zum IBA-Ausstellungsjahr 2027 realisiert werden, planen Studio VlayStreeruwitz und Wittfoht Architekten aus Stuttgart.
Leitfaden für die künftige Entwicklung
Das nun vorliegende Gestaltungshandbuch ergänzt die formalen Vorgaben des Bebauungsplans und setzt klare gestalterische, programmatische und atmosphärische Leitlinien für zentrale Aspekte des Quartiers. Es bündelt die Erkenntnisse aus dem Entwicklungsprozess der vergangenen Jahre und sichert langfristig den städtebaulichen und gestalterischen Anspruch des Projektes. Im Fokus stehen die Themen Städtebau, Freiraumgestaltung, Baufelder, Erdgeschossnutzungen, Mobilität und Nachhaltigkeit.
Das Handbuch bildet dabei sowohl die kooperativen Prozesse im Quartier ab wie auch konkrete gestalterische Haltungen. So heißt es etwa: »Fassadenfarben sind im Gesamtquartier frei wählbar. Grundsätzlich gilt aber, dass Farbe über die Aneignung durch die Bewohner ins Quartier kommen soll. Folglich werden zurückhaltende Farbtöne für die Fassaden empfohlen, wobei Schmuck und Akzentfarben eindeutig erwünscht sind.« Die Gemeinschaftsgärten im zentralen »Gartenfeld«, das das Quartier durchzieht, sollen »an sich offen zugänglich« gestaltet werden. Falls Einfriedungen notwendig werden, »sollen die Tore offenzustehen und die Gärten für alle uneingeschränkt als Aufenthaltsbereich nutzbar« bleiben.
Nicht nur für Fachleute
Das Besondere: Das Handbuch richtet sich nicht nur an Fachleute. Es vermittelt die komplexen Inhalte anschaulich und verständlich, unterstützt durch leicht verständliche Skizzen, Illustrationen und Beispielfotos. So fördert es den Dialog zwischen allen Beteiligten und wird zum lebendigen Bindeglied zwischen Planung und Beteiligung. Auch wenn es rechtlich nicht bindend ist, zeitigt das Handbuch bereits Wirkung: Es dient als zentraler Baustein im Beteiligungsprozess und als Grundlage für die Planung einzelner Gebäude.
»Das Gestaltungshandbuch ist in jeder Hinsicht ›IBA‹«, sagt IBA’27-Projektleiterin Dr. Raquel Jaureguízar. »Es zeigt, wie ein Quartier über den gesamten Entwicklungszeitraum hinweg flexibel auf neue Anforderungen reagieren kann, ohne seine grundlegenden Qualitäten zu verlieren.« Damit sei es nicht nur Grundlage für das Tobias-Mayer-Quartier, sondern auch Referenz für künftige Quartiersentwicklungen in der Region Stuttgart. »Mit seinem neuartigen und übertragbaren Ansatz verkörpert das Gestaltungshandbuch beispielhaft den Geist der IBA’27. Es verbindet Qualität, Innovation und Weitsicht für eine nachhaltige Stadtentwicklung.«