Pressereise
Besuch der IBA Emscher Park
Zeigen, was mit dem Instrument »IBA« möglich ist: Das war das Ziel einer zweitägigen Pressereise ins nördliche Ruhrgebiet Ende Mai. Dort hat in den Jahren 1989 bis 1999 die IBA Emscher Park den Strukturwandel entscheidend vorangebracht und dabei neue Maßstäbe in der Geschichte der Internationalen Bauausstellungen gesetzt.
Auf dem Programm der Reise, die die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) organisiert hatte, stand ein repräsentativer Querschnitt der rund 120 IBA-Projekte. Der Tetraeder in Bottrop etwa, ein 50 Meter hohes pyramidenförmiges Stahlgerüst auf einer alten Abraumhalde des Steinkohlenbergbaus, ist zu einer weithin bekannten Landmarke in der zersiedelten Landschaft der Emscher-Region geworden. Direkt am Fuß der Abraumhalde zeigt ein Gründerzentrum in den Gebäuden der vormaligen Zeche Arenberg Fortsetzung, wie die IBA neue wirtschaftliche Chancen geschaffen hat. Bei der denkmalgerechten Sanierung der Bergarbeitersiedlung Gartenstadt Welheim – ebenfalls in Bottrop – ist es vorbildlich gelungen, die Sozialstruktur trotz deutlicher Aufwertung der Wohnverhältnisse weitgehend zu erhalten.
Eines der zentralen IBA-Projekte war der Umbau des Flusses Emscher und seiner Nebengewässer vom offenen Abwasserkanal zu einem naturnahen Flusslauf. Bis 2020 soll das Großprojekt mit einem Investitionsvolumen von mehr als fünf Milliarden Euro abgeschlossen sein, wie Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft den Stuttgarter Pressevertretern im Berne-Park erläuterte. Der Park selbst ist als IBA-Nachfolgeprojekt zur Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr 2010 auf dem Gelände einer nicht mehr benötigten Kläranlage entstanden; eines der Klärbecken wurde zum Teich, ein zweites zum Amphitheater.
Ein einmaliges Raumerlebnis bot anschließend der Gasometer Oberhausen: Im Zuge der IBA ist der eigentlich für den Abriss vorgesehene 117 Meter hohe Gasbehälter zu Europas höchster Ausstellungshalle umgebaut worden. Die Wechselausstellungen in dem ungewöhnlichen Innenraum gehören regelmäßig zu den besucherstärksten in Deutschland. Letzter Stopp des ersten Besuchstags war der Innenhafen Duisburg: Auf dem vormals brachliegenden Gelände ist mit der IBA Emscher Park nach einem Masterplan von Norman Foster ein gut genutztes neues Stadtquartier mit einer Mischung aus Arbeiten, Wohnen, Kultur und Freizeit entstanden.
Über die Hintergründe der IBA informierte eine Gesprächsrunde zum Frühstück des zweiten Tags mit Vertretern aus Politik und Verwaltung, darunter Staatssekretär Michael von der Mühlen vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr Nordrhein-Westfalen sowie Ulrich Carow, Bereichsleiter Umwelt beim Regionalverband Ruhr. Thomas Kiwitt, Leitender Technischer Direktor des Verband Region Stuttgart, schlug die inhaltliche Brücke zur IBA 2027 StadtRegion Stuttgart.
»Was Du nicht verstecken kannst, das stelle aus«: Den Erfolg dieses Leitgedankens der IBA Emscher Park zeigte der anschließende Rundgang durch den Landschaftspark Duisburg-Nord. Auf dem Gelände der stillgelegten und erhaltenen Stahlhütte Meiderich ist ein einmaliger Landschaftspark mit vielfältigen Freizeitnutzungen entstanden. So können die Besucher einen früheren Hochofen als Aussichtsturm besteigen, in den Erzbunkern hat der Deutsche Alpenverein den größten Klettergarten nördlich der Alpen aufgebaut, der mit Wasser gefüllte Gasometer dient heute als Tauchparadies, in verschiedenen Maschinenhallen sind ungewöhnliche Veranstaltungsorte entstanden.
Die 2001 mit UNESCO-Welterbe-Status geadelte Zeche Zollverein im Essener Norden stand als letzter Besuchspunkt auf dem Programm der Pressereise. Der für den denkmalgerechten Umbau mitverantwortliche Architekt Heinrich Böll führte die Gruppe zusammen mit Hermann Marth, Vorstand der Stiftung Zollverein, über das Gelände. Die im Bauhausstil errichteten Zechenanlagen beherbergen heute das Designzentrum NRW mit dem Red-Dot-Design-Museum, mehrere Restaurants, das Ruhr-Museum sowie handwerkliches Kleingewerbe und Unternehmen der Kreativwirtschaft. Die benachbarte Kokerei gilt als Paradebeispiel der Gewerbeansiedlung in einem denkmalgeschützten Umfeld, wie Thomas Schürkamp von der RAG Montan Immobilien GmbH erläuterte. An der prestigeträchtigen Adresse »Im Welterbe« sind mehrere architektonisch hochwertige Bürogebäude entstanden.
Besonders beeindruckt zeigten sich die Journalisten aus der Region Stuttgart über die IBA-Begeisterung, die bis heute im Ruhrgebiet zu spüren ist, und wie präsent die IBA auch nach fast 20 Jahren vor Ort noch ist. Wenngleich die konkreten Projekte nicht übertragbar sind, zeigte die Reise doch deutlich, was bei einer IBA als »Ausnahmezustand auf Zeit« mit ungewöhnlichen Ideen und Mut zum Experiment entstehen kann.
Zum Weiterlesen:
Die Bauausstellung Emscher Park als Vorbild für Stuttgart (Südwest Presse, 3. Juni 2017)
Symbole des Strukturwandels (Eßlinger Zeitung, 3. Juni 2017)