Ran an den Fluss – gemeinsam für den Neckar
Neue Broschüre zeichnet Stand der Diskussionen nach
In Kooperation mit dem Verband Region Stuttgart sucht die IBA’27 nach dem lang ersehnten Aufbruch am Neckar. Das gemeinsame Projekt »Adressen am Fluss« richtet das Augenmerk auf die Transformation des Gewässers in einen Lebensraum für Mensch und Natur, in eine zukunftsfähige, resiliente grün-blaue Infrastruktur, wie es im Fachjargon heißt. »Adressen am Fluss« soll Planungswerkstatt sein, Know-how liefern und den Anrainerkommunen Ideen und Mittel an die Hand geben, um sich besser mit dem Fluss zu verbinden.
Die Erwartungshaltung an den Neckar ist riesig: er soll Abkühlung in Hitzekrisen bringen, die Biodiversität retten, dem Gewerbe als Güterstraße dienen und ganz nebenbei auch noch die Fäkalkeime wegschaffen. Kein Wunder, dass nichts vorangeht?
Vielleicht ja doch, vielleicht, wenn viele zusammenhelfen: Im Sommer 2021 skizzierten Bürgerinnen und Bürger in der Region Stuttgart erste Ideen für mehr Leben am und mit dem Fluss. Die Ergebnisse flossen in ein studentisches Entwurfsprojekt der HFT Stuttgart und der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen ein, dessen prämierte Entwürfe im Sommer 2022 in der Remsecker Stadthalle der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Am Tag darauf kamen Planerinnen, Verwaltungsangestellte, Politiker sowie viele Interessierte aus der Zivilgesellschaft am selben Ort zu einer Fachtagung zusammen. In Impulsvorträgen, Diskussionen sowie fünf Workshops wurde der gemeinsame Aufbruch am Fluss, genauso wie die zahlreichen Kontroversen, deutlich spürbar. Die Idee des Sprechens, Nachdenkens und Streitens über den Fluss in einem offenen »Flussparlament« jedenfalls soll bleiben, Tagungen und kollaborative Formate sollen sich künftig regelmäßig wiederholen, ihre Inhalte vertieft und mit Blick auf Praxistauglichkeit weiterentwickelt werden. Denn das Nachdenken über das künftige Bild der Flüsse in der Region Stuttgart hat spät begonnen. Und die Zeit drängt.
Die Diskussionen der ersten Fachtagung und die Ergebnisse des studentischen Entwurfsprojekts zeichnet die Broschüre »Flussregion werden. Mehr Lebensqualität am Wasser in der Region Stuttgart« nach. Dabei wird die scheinbar überwältigende Dimension der Aufgabe deutlich: Die Region braucht eine coolere Planung, mehr interkommunale Zusammenarbeit, mehr Tempo und Willen zum Gemeinwohl, mehr Souveränität im Umgang mit dem Wasser, mehr Sensibilität für die bedrohte Natur und letztlich auch mehr Mittel zur Umsetzung der Projekte. Das alles ist nötig, könnte man sagen, ehe der Neckar wieder zu dem identitätsstiftenden Band werden kann, das er war, ehe das Industriezeitalter ihn in ein viel zu enges Betonbett zwängte.
Man könnte aber auch, wie die Agency Apéro es in ihrem Heftbeitrag tut, sagen: Wir haben Bock aufs Wasser und fangen einfach mal an. Nix passiert ist schließlich lange genug.