HFT meets IBA #2: Urbane Akustik
HFT meets IBA #2: Lärm und Geräusche in der Stadt – gesundes Wohnen trotz Verdichtung?
Im städtischen Bereich wird aufgrund des Wohnungsbedarfs immer dichter gebaut. Dabei kann der Lärm der Stadt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gesundheitsrisiken für die Menschen darstellen. Kommunen, Planung und Forschung stehen hier vor neuen Herausforderungen. Wie wollen wir in Zukunft mit Lärm und Geräuschen im urbanen Raum leben? Diese Fragen diskutierten Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung, Umweltschutz, Forschung und Stadtplanung bei der zweiten Veranstaltung der Reihe »HFT meets IBA« am 27. Feburar.
»Unsere Aufgabe ist eigentlich die Lärmprobleme zu lösen und dafür zu sorgen, dass die Lärmprobleme gar nicht entstehen«, sagte Dr. Udo Weese, Leiter der Abteilung Lärmschutz im Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg in seinem Grußwort. Doch der Lärmschutz im Bereich Straßenverkehr sei keine Erfolgsgeschichte. Heute werde in Gebieten gebaut, die man vor zehn Jahren noch vermieden hätte. Der Trend zur Verdichtung erfordere neues Denken und neue Lösungen, sagte Weese. »Mir fehlt in der Diskussion um den verdichteten Raum die Evaluation. Ich möchte wissen, was ein gelungenes Beispiel einer Verdichtung ist – direkt an der Straße und an der Schiene. Ich möchte gern wissen, was gut ist, um daraus zu lernen,« sagte er. Er hoffte, dass Stadtplanung und Lärmschutz in der interdisziplinären Zusammenarbeit zusammenrückten, anstatt im Clinch zu liegen. »Wir sollten die Dinge nicht nur planerisch bewältigen, sondern vor allem Probleme lösen.« Dabei müsse kleinteilig geplant werden, es gebe hier keine Lösungen von der Stange.
Tools für die Stadtplanung: Lärmkarten und Simulationen
Alexander Lee, Forscher im Bereich Akustik an der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT), gab Einblick in die Forschungsprojekte der Hochschule. Forscherinnen und Forscher aus den Gebieten Akustik, Mobilität, Planung und Architektur suchen interdisziplinär nach neuen Lösungen von Lärmproblemen. So untersucht Akustiker Lee die Schallausbreitung im Außenraum, zum Beispiel, wie sich in einer von Häusern gesäumten Straßenschlucht der Schall ausbreitet. Darüber hinaus arbeiten die HFT mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern vom »OK Lab Stuttgart« zusammen, die einen Lärmsensor entwickelt haben, um den Lärm in ihrer Wohnumgebung zu messen und zu beobachten. Die Bürgerinnen und Bürger erheben selbst wissenschaftliche Daten.
Außerdem stellte Lee eine neue Methode namens Soundscape vor. Hier wird Schall nicht nur als Problem gesehen, sondern als Ressource. Wird zum Beispiel ein Brunnen neben Verkehrslärm platziert, so kann der Lärm durch angenehm empfundene Geräusche maskiert werden.
Wann macht Lärm krank?
Jördis Wothge, Umweltpsychologin am Umweltbundesamt (UBA) wies auf neuere Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hin. So steigt aufgrund des Lärms das Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen und psychischen Erkrankungen zu leiden.
Die WHO empfiehlt zur Vermeidung von gesundheitsschädlichem Verkehrslärm, dass man tagsüber nicht mehr als 53 dB (A) ausgesetzt sein sollte und nachts 45 dB (A). In Deutschland sind aber laut Lärmkartierungen knapp 5 Millionen Menschen durch Verkehrslärm von mehr als 55 dB (A) belastet, am Tag sind es 3 Millionen Menschen, die über 65 dB (A) ausgesetzt sind. Aus Umfragen des Umweltbundesamtes ergibt sich außerdem, dass 75 Prozent der Befragten sich in ihrem Wohnumfeld durch Straßenverkehr gestört oder belästigt fühlen.
Lärmschutz im Gesetz: Ein Wirrwarr an Bestimmungen
Die rechtliche Situation erläuterte Dr. Christian Beckert, vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt. »Das Lärmschutzrecht ist lückenhaft, aber es kommt noch dazu, dass es segmentiert ist.« Da heute Wohnungen und Gewerbe enger zusammengebaut werden als früher, diskutierten viele Kommunen über Gesetzessänderungen, die das Bauen von Wohnungen im urbanen Gebiet erleichtere. Beckert betonte, dass man jedoch zuerst Erfahrung und positive Beispiele im Bereich Gewerbe und Wohnen sammeln sollte, die zunächst die ganze Kaskade an bestehenden rechtlichen Vorschriften durchlaufen. Ein Beispiel dafür sei in Stuttgart der Neckarpark.
Wie können wir Städte akustisch im öffentlichen Raum gestalten?
Trond Maag, Urbanist in Zürich, präsentierte gelungene Beispiele von akustischer Stadtgestaltung mitten in urbanen Gebieten in Norwegen und der Schweiz. Er wünschte sich, dass Akustik als Teil der Stadtplanung begriffen wird. Mit den Gegebenheiten, die ein öffentlicher Raum bietet, könne gearbeitet werden. Als Beispiel stellte er ein Projekt in Oslo vor, wo ein Bach wieder über zwei Kilometer freigelegt wurde und durch ein neues Wohnquartier führte. Obwohl das Quartier in der Nähe von Verkehr, Gewerbe und Industrie geplant wurde, sorge das Gewässer vor der Haustür dafür, dass die Umgebung als angenehm wahrgenommen werde, so Maag. Er wünschte sich, dass Stadtplanung den akustischen Raum und das Raumgefühl vor Ort beachtet und mit diesen Gegebenheiten arbeitet. Auch mit der Anordnung von Baukörpern könnten Unterschiede erzeugt werden, die den Verkehrslärm abschwächen.
In der anschließenden Diskussion waren die Meinungen geteilt: Während die eine Seite eher die Einschränkungen durch das bestehende Recht und deshalb kaum Handlungsspielraum sah, war die andere Seite der Ansicht, das gute, interdisziplinäre Zusammenarbeit innovative Lösungen finden könnte. Die IBA sei hierfür ein hervorragendes Experimentierfeld.
Veranstalterin der Reihe »HFT meets IBA« ist das M4_LAB der HFT in Kooperation mit WRS und IBA‘27. Das M4_LAB der HFT ist ein Transfervorhaben, das von der Bund-Länder-Initiative »Innovative Hochschule« gefördert wird.
Autorin: Susanne Rytina, Forschungs- und Wissenschaftskommunikation HFT, M4_LAB, susanne.rytina@hft-stuttgart.de