30.05.22
IBA’27-Workshop mit Kommunalverwaltungen

Konzeptvergaben als Instrument gemeinwohlorientierter Projekte

Die Vergabe von Baugrundstücken an das überzeugendste Konzept ist für Kommunen eines der wichtigsten Instrumente zur Sicherung gemeinwohlorientierter Ziele. Weil Verwaltungen die Bewertungskriterien für den jeweiligen Ort individuell festlegen, profitiert bei einer Konzeptvergabe das Gemeinwesen. Bei einem Workshop in Winnenden trafen sich Expertinnen, Projektleiterinnen der IBAʼ27 und Mitarbeiter der kommunalen Planungsämter zum Erfahrungsaustausch.

Gilt es kommunale Liegenschaften mit einem Mehrwert für die Menschen vor Ort zu entwickeln, sind Konzeptverfahren für viele Städte und Dörfer zum Mittel der Wahl geworden. Natalie Schaller, als erste Referentin zum Workshop zugeschaltet, widersprach der Vermutung, Konzeptvergaben seien nur für Großstädte relevant. In der ländlichen Umgebung von München, so die Beraterin und geschäftsführende Gesellschafterin der stattbau München GmbH, arbeiteten längst auch kleine Kommunen sehr erfolgreich mit diesem Verfahren. Ihr Plädoyer für den »Wettbewerb der besten Ideen«, der die soziale Rendite von Bauvorhaben in den Vordergrund stelle, war verbunden mit Hinweisen und Tipps für den Ablauf der – bei reibungsfreiem Verlauf – etwa zweijährigen Konzeptverfahren. Die Kommune, so Schaller, müsse sich anfangs klar machen, welche Ziele sie mit der baulichen Entwicklung am Ort verfolge. Daraus ergebe sich zumeist bereits ein Profil möglicher Akteure und Zielgruppen. Mit den festgelegten Kriterien gehe es dann in die Bewerbungsphase. Je mehr niedrigschwelliger Austausch zwischen Verwaltung und Interessenten hier stattfinde, desto besser. So könne nicht nur ein Vertrauensverhältnis entstehen, auch die Motivation der Bewerbungen werde sichtbar und die Qualität der Einreichungen könne in der Diskussion stark verbessert werden. »Je mehr Offenheit da ist, desto mehr wird man von neuen Ideen und guten Konzepten auch mal überrascht«, so Schaller.

Inhaltlicher roter Faden

Diese Einschätzung teilte der Stadtforscher und Berater Robert Temel, der aus Wien zum Workshop angereist war. Klare Ziele bei den Vorgaben seien als Leitplanken wichtig, so Temel. Auf dem Weg zu ihrer Erreichung gelte es aber, Diversität, Kooperationsbereitschaft und die Kreativität der Bewerbenden anzuregen. Die Kompetenzen der Bewerbungen sollten sich dann unbedingt im Auswahlgremium widerspiegeln, das das beste Konzept würdigt und damit die Gewinner des Verfahrens ermittelt. Schaller und Temel sprachen sich auch dafür aus, bei der Entscheidungsfindung den qualitativen (also in der offenen Diskussion ermittelten) Bewertungen gegenüber der quantitativen (durch Punktvergabe) Priorität einzuräumen. Für Temel ist es »der rote Faden durchs Verfahren«, eine klare Haltung von den Zielen über die Auswahlkriterien zur Definition von Anforderungen an die Bewerberinnen bis hin zur Besetzung des Auswahlgremiums, der schließlich über die Prozessqualität und den Erfolg des Projekts entscheidet. Wie Natalie Schaller sprach sich auch Robert Temel für eine ständige juristische Betreuung jedes Verfahrens aus, um Unsicherheiten und Unklarheiten frühzeitig aus dem Weg zu räumen.

Michael Kunert von der Kontaktstelle für Baugemeinschaften bei der Landeshauptstadt Stuttgart wies in seinem Impuls auf die Bedeutung der ämterübergreifenden Zusammenarbeit in den Stadtverwaltungen hin. Je kooperativer der Geist etwa zwischen Liegenschafts- und Stadtplanungsamt sei, desto mehr könne das Augenmerk auf die Qualität der Entwicklung gerichtet werden. Kunert wies zudem auf die Frage der Architektur hin, die für viele potentielle Bewerbergruppen eine Barriere im Verfahren darstelle. Wo architektonische Kompetenz nicht schon in der Gruppe vorhanden sei, müsse diese beauftragt werden, was oft hohe Kosten bedeute. Er plädierte daher dafür, die Architektur aus der Bewerbung möglichst lange herauszuhalten, um das Teilnehmerfeld nicht zu stark einzuschränken. Perspektivischer Idealzustand für diese Problematik sei die Kostenübernahme durch die Kommunen.

Arbeitstische zu Fragen der Prozessgestaltung

Bei den anschließenden Fokusrunden an drei Arbeitstischen standen die individuellen Fragestellungen der IBAʼ27-Projekte in Salach, Winnenden und Fellbach im Mittelpunkt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunalverwaltungen tauschten sich mit den Experten, zu denen auch Architekt und IBA-Kuratoriumsmitglied Hans Drexler gestoßen war, zu Fragen der Prozessgestaltung, der Einbeziehung unterschiedlicher Ämter und vor allem über nächste Schritte hin zum Konzeptverfahren aus. In Salach faßte man mit der Idee der Zwischennutzung von bestehenden Gebäuden ein weiteres Instrument ins Auge, das geeignet sei, die Potentiale des Ortes zu heben und ins Augenmerk der Öffentlichkeit zu bringen.

Übereinstimmend wurde beim abschließenden Fazit festgestellt, dass erfolgreiche Konzeptverfahren vor allem auch eine neue Kultur der Kommunikation erforderten. Öffentlichkeit und Verwaltungen müssten frühzeitig und beständig ins Gespräch einbezogen, ermutigt und befähigt werden. Zu dieser Gesprächskultur solle auch der weitere Erfahrungsaustausch der IBAʼ27-Projekte untereinander beitragen. Ein gebautes Stück Stadt – so der Tenor – könne immer nur so viel demokratische Teilhabe beherbergen, wie bereits im Prozess seiner Entwicklung angelegt worden sei.

Die Publikation »Baukultur für das Quartier. Prozesskultur durch Konzeptvergabe« von Robert Temel wurde vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung herausgegeben. Sie kann kostenlos heruntergeladen werden.

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