Städte für Menschen machen
»We can’t keep consuming like we do consume now.« Mit diesem Appell leitete der dänische Stadtplaner Kristian S. Villadsen vergangene Woche das zweite IBA’27-Kuratoriumsgespräch ein. Für moderne Stadtgestaltung fordert er mehr gemeinschaftlich genutzte Gebäude und bessere Anreize für ein Engagement im öffentlichen Raum. Als Partner des Kopenhagener Büros Gehl und Kuratoriumsmitglied der IBA’27 stellte Villadsen Visionen und Strategien zur Umsetzung einer lebenswerten Stadt vor – mit Blick auf zukünftige Mobilität, urbane Masterpläne und Prozessdesigns aus den dänischen Städten Kopenhagen und Aarhus sowie deutsche Ansätze und Pilotprojekte. Im Interview hat er uns verraten, welche Impulse und Anreize urbane Stadtplanung der Zukunft schaffen muss und warum genau Dialoge mit individuellen Blickwinkeln essenzielle Wegbereiter für nachhaltige, moderne Stadtgestaltung darstellen.
IBA’27: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Probleme in aktuellen Stadtplanungsansätzen, wenn es um Teilhabe im öffentlichen Raum geht?
Villadsen: Es gibt viele Gründe, warum es in so vielen Städten immer noch wenig Beteiligung im öffentlichen Raum gibt. Beim nachhaltigen Bauen stehen wir vor Herausforderungen, die dringende Lösungen erfordern. Wir haben zwar Ideen und Visionen, wie wir diesen Herausforderungen mit modernen Ansprüchen begegnen, gleichzeitig sind wir aber oft noch mit den Vorschriften und Organisationsstrukturen der Vergangenheit konfrontiert. Genau deshalb müssen dringend städtische Interventionen geschaffen werden, die neue Lösungen testen und beweisen können.
IBA’27: Wie schafft man am besten Anreize, die Menschen zu höherer Partizipation einladen?
Villadsen: Die größte Herausforderung besteht darin, alle Nutzergruppen einzubeziehen. Einige kann man mit traditioneller Partizipation erreichen, andere mit Online-Befragungen oder Interviews vor Ort. Aber mit praktischen Experimenten und Interventionen auf den Straßen selbst kann man jede und jeden erreichen. Wenn man direkt auf der Straße handelt, werden die Menschen interagieren – oder sich eben aktiv dafür entscheiden, es nicht zu tun. Wenn man dann die daraus resultierende Verhaltensänderung mit Beobachtungsstudien dokumentiert, kann man die geplante Lösung vor der endgültigen Umsetzung messen, testen und verfeinern – und außerdem einen interaktiven Dialog mit allen Nutzergruppen vor Ort führen.
IBA’27: Gibt es grundlegende Unterschiede zwischen den skandinavischen und deutschen Prozessdesigns?
Villadsen: In Skandinavien fragen wir uns vielleicht zuerst, wie wir uns den zukünftigen Alltag in einem neuen Viertel oder bei einer Umgestaltung von Bestand wünschen. Auf dieser Grundlage überlegen wir dann, welche Art von öffentlichem Raum, sprich Parks, öffentlicher Verkehr und öffentliche Einrichtungen diese Vision unterstützen würden. Am Ende steht dann ein Gebäude, das genau diesen Visionen einen Rahmen gibt. An vielen Orten in der Welt und vielleicht auch in einigen Teilen Deutschlands sehen wir oft einen eher klassischen Ansatz in der Stadtplanung. Da ist der Ausgangspunkt der Diskussion dann oft das Gebäude, das Quadratmeterfragen lösen soll. Der Ansatz birgt die Gefahr, dass öffentliche Räume und der gemeinschaftliche Alltag etwas zweitrangig sind und man schafft kaum Anreize, die zu nachhaltigem Nutzungsverhalten des Raumes einlädt. Das ist natürlich nicht der Fall bei den IBA-Projekten, hier greift der IBA-Diskurs diese Themen von Anfang an auf.
IBA’27: Ziel des internationalen IBAʼ27-Kuratoriumsgesprächs ist es, individuelle Perspektiven auf die Themen der IBA kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen. Warum ist gerade ein solcher Diskurs wichtig?
Villadsen: Das IBA’27-Kuratorium bringt unterschiedliche Perspektiven in den Dialog ein. Die Vision einer nachhaltigeren Zukunft – die ich als Ziel der IBA sehe – praktisch umzusetzen, ist eine unglaublich komplexe Aufgabe. Und um das zu erreichen, helfen die Erfahrungen, Perspektiven und die internationalen Best Practices, die im Kuratorium vertreten sind, den Prozess und die Projekte zu beweisen. Aus dem gemeinsamen Austausch lernen wir nicht nur unglaublich viel, sondern wir fordern uns gleichzeitig heraus, die nächsten Schritte in Richtung der gemeinsamen Vision zu gehen. Ich glaube, dass genau das die Stärke der IBA ist – eine Plattform für den Austausch von Perspektiven zu schaffen und zu einer besseren Zukunft zu inspirieren.
Veronika Veile / IBA’27-Team