01.08.23

So sehen nachhaltige Materialien des zukünftigen Bauen aus

Der Bausektor ist einer der größten Klimasünder überhaupt. Laut Angaben des Umweltbundesamtes verarbeitet die Bauindustrie mehr als 70 Prozent aller Rohstoffe in Deutschland. Denn um Baumaterialen wie Beton, Stahl oder Glas herzustellen, schöpft der Bausektor aus endlichen Rohstoffen wie Sand, Kies oder Zement, gleichzeitig ist die Herstellung der Baustoffe mit einem immens hohem Energieeinsatz und damit einem hohen Ausstoß von Kohlenstoffdioxid verbunden.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wird in der Baubranche bereits viel experimentiert – so auch in der Materialprüfungsanstalt (MPA) und dem Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart. Bei der Führung durch Labore und Prüfmöglichkeiten gaben die MPA und das ILEK Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte und stellten Prototypen von nachhaltigen Alternativen für herkömmliche Baumaterialen vor.

Auch Beton geht Bio: Für die Herstellung von herkömmlichen Beton müssen hohe Mengen an Zement gebrannt werden. In der Gesamtmenge verursacht allein dieser Vorgang acht Prozent der globalen klimaschädlichen CO2 -Emissionen. Eine CO2-neutrale Alternative stellt hier der Biobeton dar, an dem das ILEK aktuell forscht. Dabei handelt es sich um Beton, bei dem die Gesteinskörnung nicht durch Zement, sondern durch Calciumcarbonatkristalle gebunden und verfestigt wird. Die Entwicklung der Calciumcarbonatkristalle wird wiederum durch Bakterien, die ein Ureaseenzym besitzen, initiiert. Aktuell findet der Biobeton bereits im Verschließen von Rissen in Beton oder der Befestigung sandiger Böden Verwendung, das große Potenzial zur CO2-Einsparung sieht das ILEK aber besonders in der Entwicklung von Konzepten zur Herstellung tragender Bauteile aus Biobeton. In Kooperation mit dem Institut für Mikrobiologie und dem Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen der Universität Stuttgart untersucht das ILEK dafür die Integration von Basaltfasern zur Herstellung rein mineralischer Bauteile und weitere Ansätze zur Bauteilherstellung aus Biobeton.

Ein weiterer Ansatz für eine klimafreundlichere Herstellung von Beton ist die Technologie des Gradientenbeton. Durch die Gradierung des Betons mittels Hohlräumen kann hierbei einiges an Material und damit auch Emissionen bei der Herstellung von Bauwerken eingespart werden. Zudem werden bei Bauteilen aus Gradientenbeton die Betoneigenschaften wie Festigkeit, Dichte oder Wärmeleitfähigkeit exakt an das erforderliche Materialniveau angepasst. Das Ergebnis sind Bauteile, die im Vergleich zu massiv hergestellten Bauteilen eine drastische Massen- und damit Gewichtsreduktion bei gleicher Funktions- und Leistungsfähigkeit aufweisen.

Die Entwicklung von nachhaltigen Baumaterialien für Gebäudehülle und -struktur ist Ziel von den zwei EU-Projekten »Exploit4InnoMat – An Open Innovation Ecosystem for exploitation of materials for building envelopes towards zero energy buildings« und »EASI ZERo – Envelope material System with low Impact for Zero Energy buildings and Renovation«, an denen die Universität Stuttgart beteiligt ist. Im Rahmen dieser Projekte forscht die Universität Stuttgart neben Biobeton- und Gradientenbetonbauteile auch etwa an Isolierstoffen aus Pilzmycel und Ziegeln aus Recyclingmaterial.

Veronika Veile / IBA’27-Team

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