20.07.23

Reclaiming the City

Mit dem Projekt »Brasilien_Brasilia« fragt das Stuttgarter Künstlerkollektiv »Begleitbüro SOUP (Stuttgarter Observatorium urbaner Phänomene)«, welche Rolle städtebauliche Attrappen, Modelle und mit ihnen das unhinterfragte Versprechen der »Modernisierung« bei der Immobilien- und Bodenspekulation spielen.

»Brasilien« war das Codewort für eine Attrappe des Stuttgarter Hauptbahnhofs, die ab 1940 die Bomber der Royal Air Force auf ein Feld bei Lauffen am Neckar fehlleiten sollte. Heute nutzten, so die Annahme beim gestrigen Symposium, internationale Spekulanten die suggestive Kraft von Modellen und Bildern, um Behörden und Gemeinderäte zur rascheren Schaffung von Baurecht zu bewegen. Als aktuelles Stuttgarter Untersuchungsobjekt dient »SOUP« die ehemalige IBM-Zentrale Eiermann-Areal in Stuttgart Vaihingen. Hier hatte die Landeshauptstadt das Bebauungsplanverfahren allerdings gestoppt um Spekulationsgewinne durch einen möglichen Weiterverkauf zu verhindern.

Anhand gelungener Beispiele wie der Transformation des bei Solothurn gelegenen Attisholz-Areals, stellte das Symposium die Frage nach dem zeitlichen Horizont großformatiger Stadtentwicklungsprojekte. Raumentwickler Prof. Bernd Scholl zeigte, wie eine entschleunigte, akteursgetragene Entwicklung die ehemalige Papierfabrik über einen Zeitraum von 25 Jahren in ein vielfältig durchmischtes und lebenswertes Quartier verwandelt, dem keine großmundigen Versprechen oder Fantasiebilder, sondern eine vertrauensvolle, wertschätzende Zusammenarbeit der Beteiligten zugrunde liegen. Künstlerinnen und Künstler leisten dort einen sehr wesentlichen Beitrag zum Gelingen.

Ein wenig schüchtern stand zum Ende die Frage im Raum, ob auf dem Eiermann-Areal nicht Ähnliches versucht sein sollte. Immerhin: Mit seiner wunderbar subversiv-irritierenden Kunstaktion »Brasilien« konnte »SOUP« dem missbrauchten Architekturdenkmal bereits ein klein wenig Würde zurückgeben. Vielleicht ist das Zeichen ja wirkmächtig genug, um auch bei diesem scheinbar hoffnungslos verfahrenen Bauvorhaben einen grundsätzlichen Neuanfang anzuregen?

Markus Bauer / IBA’27-Team

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