01.08.23

Party.cipation.IBA’27 Finissage

Zum IBA‘27 Festivals vom 23.06.-23.07.23 machten sich Studierende der Hochschule für Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg und Studierende des Masterstudiengangs Planung und Partizipation an der Universität Stuttgart in einem hochschulübergreifenden Fach- und Praxisprojekt mit einem Dozententeam der School of Participation, Vanessa Watkins, Wolfgang Himmel, Hannes Wezel, zu vier Exkursionen auf partizipative Spurensuche. Das Projekt wurde gefördert durch die Allianz für Beteiligung e.V. Baden-Württemberg.

Bootcamp – WhatsApp – Instagram

Zur Vorbereitung traf sich die gemischte Gruppe zu einem eintägigen Bootcamp. Dabei wurden Haltung und Einstellungen zur Partizipation geklärt und mit kreativen Methoden bearbeitet. Dabei wurde deutlich, dass Partizipation und Party nicht weit auseinander liegen müssen. Die bewusst gewählte Zusammensetzung von zukünftigen Bürgermeister:innen bzw. Amtsleiter:innen einerseits und Partizipationsgestalter:innen andererseits erzeugte von Beginn an eine lebendige Lernsituation. Das Projekt war hybrid konzipiert und so bildeten sich für die weitere Vorbereitung sechs WhatsApp-Gruppen und eine Studierende richtete einen Instagram-Account mit dem Titel: Party.cipation.IBA27 ein.

Erste Station: die Neckarinsel Stuttgart

Die Neckarinsel liegt an der Schleuse Bad Cannstatt und wird von einer interdisziplinären Initiative als Verein, regelmäßig mit informativen und kreativen Impulsen bespielt, die Zukunft einer lebenswerten Stadt am Fluss mitzugestalten. Der Verein Neckarinsel lud die Studierenden ein, sich bei der Aktion »Sonnenbaden« mit einem kreatives Pop Up Format ins IBA’27 Festival einzubringen. Daraus entstand die Idee als »Sonnenbademeister:innen«, mit eigens designten T-Shirts und roten Shorts, möglichst viele Menschen für einen Besuch auf der Neckarinsel anzusprechen und zu motivieren. Die Studierenden führten viele Gespräche, motivierten die Gäste zum Mitmachen bei einem von ihnen vorbereiteten Neckarinsel-Bingo-Quiz und notierten auf einem vorbereiteten Board Ideen der Besucher:innen für die Neckarinsel. Dazu gab es noch selbstgemachte Pommes, was besonders bei den jungen Besucher:innen großen Anklang fand. Als Learning nahm die Gruppe mit, dass Partizipation immer gute Kommunikation braucht und es auch Spaß macht, auf fremde Menschen zuzugehen und ihnen offen zu begegnen. Ein positives Feedback gab es denn auch von Hannah Pinell vom Verein Neckarinsel: »Es ist echt gut gelaufen, die Ansprache hat gut funktioniert. Ich sehe das als Erfolg, auch weil ihr das weiterträgt und gerade auch dass so viele Familien reingeschaut haben. Ich finde es wichtig, einen Ort auch für Familien zu schaffen. Das ist der Mehrwert, die Leute hier her zu bringen und es war toll, dass ihr so mutig wart, die Leute anzusprechen.«

Nürtingen: Gute Ideen im Gehen

Bei der Exkursion in Nürtingen ging es darum, fernab von Stuhlkreis und runden Tischen, ein Ge(h)spräch durch die Hölderlinstadt zu unternehmen. Unter dem Motto: »Gute Ideen beim Gehen« wurden Orte besucht, bei denen Partizipation eine wichtige Rolle spielt. Die Studierenden übernahmen dabei moderierende Aufgaben. Auf dem Weg gab es Fragestellungen, zu denen sich die Studierenden mit den Bürger:innen austauschten. Die Methode »Ge(h)spräch« impliziert, dass zwei Menschen in Bewegung sind und Schulter an Schulter in dieselbe Richtung gehen und sich austauschen. Stationen waren u.a. die Kreuzkirche, die durch das Engagement einer Bürgerinitiative schon Anfang der 1980er Jahre erhalten werden konnte und auch in heutiger Zeit immer wieder zum Bürger-Dialogort wird. Spannend fand die Gruppe auch Projekte wie das Kulturcafé Sprechzimmer oder das zukünftigen Welthaus in der Fußgängerzone: »Genauso belebt man die Innenstädte in schwierigen Zeiten« hörte man als Kommentar. Mit dem Rathaus und dem Bürgertreff wurde ein gutes Bespiel für architektonische Selbstwirksamkeit für Bürger-Rat und Verwaltung besichtigt.

Zum zivilgesellschaftlichen Kontrastprogramm besuchte die Gruppe am Mittag die Seegrasspinnerei, wo sich Partizipation und Selbstwirksamkeit im besten Sinne erleben lässt. Dort trafen die Studierenden auf Vertreter:innen der Bürgerinitiative Kirchheimer Vorstadt, die ihre Aktivitäten zum Stadtteil und zum BahnstadtProjekt, dem Nürtinger IBA’27 Projekt vorstellte. Dabei wurde auch der aktuelle wenig partizipative Gemeinderatsbeschluss zum Verlauf der Bahntrasse diskutiert. Den Studierenden gefiel es, als Moderatorinnen und Moderatoren beim Ge(h)spräch eingebunden zu sein: »Das hat den gesamten Rundgang belebt und war eine gute Übung für uns selbst und hat auch Spaß gemacht.«

Herrenberg: Augmented Reality

Am 08.07. reiste eine weitere Gruppe Studierender nach Herrenberg. Waren bislang auf der Neckarinsel und in Nürtingen die Ansätze und Aktionen ziemlich analog, so wurde es auf dem Aischbach Areal nun digital: Es ging darum mit Augmented Reality und der Yona App auf dem Gelände des IBA’27-Vorhabens gemeinsam mit den engagierten Kolleginnen der Stadtverwaltung, Bürger:innen anzusprechen und mit ihnen auszuprobieren, ob es möglich ist, virtuell einen Bürgerpark zu planen. Die Yona App ermöglichte, dass auf Tablets oder Mobiltelefonen, Gestaltungselemente in das reale Gelände eingesetzt werden. Es ergab sich zwischen den Studierenden und den städtischen Kolleginnen des Teams Bürgerschaftliches Engagement und dem Planungsamt eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Die Studis ihrerseits zeigten ihr ganzes erlerntes Repertoire: von Persona-Karten bis zur Interviewwand wurde nichts dem Zufall überlassen. Beim Termin selbst war dann Flexibilität gefordert: »Nicht alles was wir vorbereitet haben, konnten wir umsetzen«, so die Erkenntnis der Studis. »Beteiligung muss auch flexibel sein und immer auch an den örtlichen Gegebenheiten und vor allem an den dazukommenden Menschen ausrichtet werden!«  Interesse und Zuspruch der Besucher:innen im Infoztelt am Aischbach Areal waren sehr groß und so ergab sich ein wunderbares, generationsübergreifendes Event bei dem auch der bestellte Eiswagen und ein extra eingeladener junger ukrainischer Akkordeonspieler für eine ganz besondere Atmosphäre sorgten. »Den Leuten hat die Atmosphäre und diese Art der Beteiligung sehr gefallen und ich bin super dankbar, dass ihr Studis da wart um die Leute rumzuführen und die App zu bedienen und ich gemerkt hab, alleine hätten wir das nicht gestemmt gekriegt das zu betreuen«, gab es Lob von den Kolleginnen der Stadt Herrenberg. Gemeinsam mit den Studierenden wird die Stadt Herrenberg die Erfahrungen dieses Experiments mit sehr anspruchsvoller Technologie auswerten und danach entscheiden, ob die YONA-App für die konkrete Bürgerbeteiligung zum Aischbach-Areal eingesetzt werden kann.

Salach: Ein Partizipations-Podcast 

Am Sonnatgmorgen, 16.07. traf sich dann die vierte Gruppe Studierender am IBA’27 Gelände am Schachermayr-Areal in Salach. Selbstorganisierte Vorbereitungstreffen in Präsenz und online bildeten dafür den Rahmen mit dem Ziel, einen Podcast über die Salacher Geschichte der Bürgerbeteiligung zu produzieren, der dann über einen QR-Code für die Bürgerschaft abrufbar sein soll. Empfangen wurde die Gruppe von  Dr. Irmgard Ehlers als Quartierskoordinatorin der Gemeinde Salach. Sie führte die Gruppe an einen besonderen Ort, die etwas verfallene aber äußerst stimmungsvolle Hattie Bareiß Hütte. Diese war das Sommerhaus der Unternehmerfamilien Schachermayer und Bareiß, die mit großer sozialer Verantwortung für das bürgerschaftliche Wohlergehen von Salach sorgten. Dieser besondere Ort erzeugte einen großartigen Rahmen für ein Storytelling Format zur Geschichte der Salacher Partizipation in Vergangenheit und Gegenwart, was zu einer überaus lebendigen Frage- und Antwortrunde mit den Studierenden führte: »Der Geist der damaligen Blütezeit ist auf dem Areal noch zu spüren und ich freue mich irgendwann einmal zu sehen, was die Gemeinde Salach daraus macht.« Dabei wurde deutlich, dass Partizipation nicht nur eine Momentaufnahme darstellt, sondern ein gesellschaftlich komplexer Prozess ist, der über Generationen hinweg Orte und Menschen auch kulturell prägen kann. Im Kontrastprogramm ging es danach auf das parallel stattfindende Straßenfest, um von Bürgerinnen und Bürgern, ungefärbte O-Töne und Meinungen zum IBA’Projekt für den Podcast einzufangen.  

Fazit: Partizipation braucht Kultur, Kommunikation, Kooperation, Kreativität

Die Exkursionen haben gezeigt, dass Partizipation an jedem Ort auf eine andere Alltagskultur und andere Menschen trifft. Deutlich wurde auch, dass es einen großen Unterschied macht, -w e r- die Beteiligung macht. In unserem Falle junge Studierende.
Offene, niederschwellige vielleicht auch »junge« Kommunikation eröffnet, lebendige und breite Partizipation, fernab dem Klassiker von Stuhlkreis und runden Tischen. Eben auch eher schwer erreichbaren Zielgruppen wie junge Familien konnten auf der Neckarinsel gezielt angesprochen werden.
Kreativität bei der Methodenwahl spielt ebenfalls eine große Rolle. Ob digital mit Podcast und Yona-App oder analog mit Ge(h)spräch und Storytelling.
Und last but not least braucht Partizipation gute Kooperation. »Mir hat vor allem die Zusammenarbeit im Team sehr gut gefallen und das, obwohl wir uns ja nicht oft sehen, dass wir so gut kommunizieren und auf einer tollen Ebene gelandet sind, ist echt toll!« Von daher ist der Versuch der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen den beiden Studiengängen gelungen und macht Lust auf eine Fortsetzung. Diese gibt es am 21. September um 16:00 Uhr. An diesem Tag werden die Studis ihre Fundstücke und Ergebnisse der Exkursionen in der IBA’27-Festivalzentrale in Stuttgart vor einem interessierten Publikum präsentieren.

Hannes Wezel / School of Participation

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Logo IBA27