01.08.23

Leerstelle Geschlechtergerechtigkeit

Einen so hohen Frauenanteil gab es in der Festivalzentrale wohl noch nie. Knapp 30 Frauen und ein paar männliche Gäste versammelten sich beim Workshop »Frauen in der smarten Stadt« in der Festivalzentrale und diskutierten darüber, wie Digitalisierung geschlechtergerecht gestaltet werden kann. Denn die Realität zeigt: In den modernen Städten haben Frauen ein anderes Partizipationsverhalten als Männer. Wenn es etwa um das Verkehrsverhalten geht, nutzen Frauen häufiger die Öffis, während Car- und Bike-Sharing Angebote meist von jungen, einkommensstarken und kinderlosen Männern wahrgenommen werden. Das Problem: Wenn es um die Datenerhebung von Smart City-Konzepten geht, erfolgt die Erhebung meist ohne jeglichen Genderbezug. Die Ergebnisse des Workshops lieferten erste Lösungsansätze dafür, wie Frauen über Daten sichtbarer und stärker repräsentiert werden können.

Zu Beginn verdeutlichte Dr. Brigitte Reiser, Leiterin der IBA’27-AG »Smart City – Digitalisierung, Ethik und
Beteiligung«, worin die Problematik liegt. Zum einen werden Smart City-Daten »gender-neutral« erhoben und Smart City-Planungen für »jedermann« gemacht. Das führt am Ende dazu, dass in der Datenerhebung von Smart City-Konzepten die Daten fehlen, die die Bedarfe von Frauen abfragen. Vernachlässigt werde außerdem die Frage, welche Teile der Wirklichkeit bei der Datenerhebung tatsächlich repräsentiert werden. Denn auch, wenn die Daten erst einmal neutral erhoben werden sollen, sind sie am Ende nie »roh« . Fragen wie »Was wird erhoben?« oder eher »Was wird nicht erhoben?« führen schon in der Vorauswahl dazu, dass die Daten am Ende bereits kuratiert sind.

Zum Anderen stellt digitale Inklusion auf lokaler Eben in Smart City-Programmen zwar ein wichtiges Ziel dar, häufig ist lokal jedoch kein wirkliches Interesse an dem Einbezug von genderabhängigen Bedarfen bei politischen (Smart City-) Programmen vorhanden. Brigitte Reiser kommt zu dem Ergebnis, dass Geschlechtergerechtigkeit in der smarten Stadt kann nur durch Gerechtigkeit in der Repräsentation in Daten und Entscheidungen, in den Ressourcen wie Budgets und am Ende selbstverständlich durch Gerechtigkeit in der Realisierung erreicht werden kann.

Wie eine inklusive und partizipative Bürgerbeteiligung an Stadtplanungsprozessen in der Praxis aussehen kann, stellte Dr. Karin Reichel, Geschäftsführerin vom FrauenComputerZentrumBerlin (FCZB), vor. Das FCZB begleitete die Entwicklung einer Smartphone-App, über welche die Bürger:innen mit Hilfe von Augmented Reality direkt vor der Baustelle eine Simulationsbild des später fertiggestellten Bauwerks ansehen können. Im Prozess setzte sich das FCZB bei ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten in der App-Entwicklung dafür ein, dass ganz unterschiedliche Menschen befragt, möglichst keine Gruppierungen diskriminiert und möglichst viele Meinungen berücksichtigt werden. Im Hinterkopf war dabei auch immer das Ziel, dass auch Menschen ohne viel Vorkenntnisse die App mitgestalten und nutzen können. Wer mehr über das App-Projekt »Inspirer« erfahren will, ist am 15. September zum Workshop der Wirtschaftsförderung Fellbach eingeladen.

Als Abschluss des Workshops wurden in Arbeitsgruppen Fragen wie »Welche Beteiligungsformate sind notwendig, um mehr Frauen zu erreichen?« oder »Welche Bedürfnisse haben Frauen bei der Stadtplanung?« diskutiert. Gemeinsam kamen die Gäste zu dem Ergebnis, dass es intersektional gedachte Anreize, Bürgerinnenbeteiligung auf Augenhöhe sowie eine frühe Förderung von Mädchen und jungen Frauen braucht, um am Ende eine inklusive Digitalisierung gestalten zu können.

Veronika Veile / IBA’27-Team

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