31.07.24

Die Wohngemeinschaft aus der Tiefe des Raumes

Bauen, bauen, bauen? Über 230.000 Unterkünfte, so hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) errechnet, könnten in Deutschland durch Umnutzung leer stehender Gewerbeflächen in Wohnraum entstehen. Sind das nicht game changing Aussichten für die innovations- und tatendurstigen Immobilienentwickler in der Region Stuttgart? Wo doch bezahlbarer Wohnraum so gut wie nicht vorhanden ist?

Allein in der Stadt Stuttgart standen im letzten Jahr 432.000 Quadratmeter Büroflächen leer. Und weitere kommen ständig dazu! Wer da alles leben könnte! Menschen in Jogginghosen, ohne Rücken, dafür mit sich verändernden Gesichtszügen, Bra! Ganz nebenbei fände in den langweiligen und immer verzweifelter um Konsumpendler kämpfenden Innenstadt-Kulissen wieder so etwas wie Welt statt. Aber egal. Für die Immobilienwirtschaft ist das zu kompliziert und auch nicht richtig rentabel. Da lässt man’s lieber wie’s ist – also leer. Oder reißt das Zeug irgendwann ab. Und »erstellt« stattdessen »zeitgemäßen, ideal zugeschnittenen Wohnraum mit neuesten energetischen Standards«. Prost, Schnittchen!

Der gemeinnützige (ja, sowas gibt’s) Verein Adapter hat – nach langer Suche, versteht sich – in der Wendlinger Neckarspinnerei mit seinem »endo«-System aus modularen Holzkuben eine zeitlich begrenzte Wohngemeinschaft eröffnet. Acht helle Privaträume beherbergen Betten und Arbeitsplätze und lassen sich mit Schiebetüren und Vorhängen verschließen. Küchen und Bäder werden gemeinsam genutzt. Die großartige Architektur der ehemaligen Spinnerei führt dabei Regie wie einst Günter Netzer: aus der Tiefe des Raumes. Das ist nicht nur genau so schön. Es wurde sogar genehmigt. Und zwar temporär bis Oktober. Weil Gewerbe und Wohnen mögen sich nicht. Oder jedenfalls nicht dauerhaft. Oder – ach, egal. Gut, dass die Bundesministerin in ihrer Baugesetzbuch-Novelle die Umnutzung leerstehender Gewerbeimmobilien in den Innenstädten ratzfatz möglich machen wird. Deutschlandtempo! Muss man nur noch die Investoren überzeugen. Wie das wohl am besten klappen wird?

Alle Bilder von Dominique Brewing.

Markus Bauer / IBA’27-Team

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