Ça Bouge en Ville – Bewegt Euch!

Ausstellung »Ça Bouge en Ville – Bewegt Euch!«

Stuttgart – Sport in der Stadt

Studierende beziehen Position

Aufgrund seiner Topografie und Architektur bietet die Stadt Stuttgart viel Potential, aktiv zu werden und die so entstandene Sportlandschaft zu nutzen. Im Kurs Theorie der Architektur haben sich Studierende der Hochschule für Technik Stuttgart im Wintersemester 2024 mit den Möglichkeiten aber auch den Herausforderungen auseinandergesetzt, die Stadt für sportliche Aktivitäten zu nutzen. Hier beziehen sie Position und benennen auch die Veränderungen, die sie sich für die Stadt wünschen.

Ob auf den Beinen, im Kanu, auf dem Fahrrad, auf dem Skateboard oder im Stadion: Stuttgart hat viel zu bieten. Yoga im Stadtpark ist ebenso dabei wie Downhill-Biking auf dem »Woodpecker Trail«. Die Stadt bietet hierfür eine spannende Kulisse. Zahlreiche herausragende Sportbauten verknüpfen die Architektur weiter mit dem Sport.

Zugleich gibt es allseits auch Hürden. Sei es fehlende Infrastruktur, schlechte Wasserqualität, eine ausufernde Verbotskultur oder die autofreundliche Verkehrspolitik. Dabei tragen die Vielfalt der sportlichen Aktivitäten und die Architektur zur Lebensqualität und Attraktivität der Stadt bei, während sie gleichzeitig soziale Interaktion und Gemeinschaft stärken. Dieses Potential gilt es, stärker zu aktivieren.

Bild: IBA’27 / Niels Schubert

Sportliche Vielfalt in Stuttgart

Entdecken Sie die reichhaltigen sportlichen Möglichkeiten Stuttgarts gemeinsam mit Freunden und Familie. Egal, ob Yoga im Stadtpark oder Fahrradfahren durch die Innenstadt – gemeinsam macht es noch mehr Spaß! Stuttgart bietet für jeden, ob mit festem Trainingsplan oder spontan, etwas Passendes. Starten Sie den Tag mit einer erfrischenden Joggingrunde im Grünen, oder unternehmen Sie mittags eine von 50 Stäffeles-Touren durch die Stadt, belohnt mit einem atemberaubenden Ausblick.

Sport hält nicht nur fit, sondern stärkt auch soziale Kontakte und fördert ein Gefühl von Integration und Gemeinschaft, besonders im fortgeschrittenen Alter. Für diejenigen, die nach mehr Adrenalin suchen, bietet der Downhill-Strecke »Woodpecker Trail« eine spannende Herausforderung mit 120 Höhenmetern oder der Stuttpark als wetterfeste Option zum Indoorskaten.

An heißen Sommertagen laden der Neckar und der Max-Eyth-See zum Stand-up Paddling und Wasseryoga ein. Natürlich können Sie auch die Mineralquellen in der größten Mineralbadstadt Westeuropas besuchen. Falls Sie immer noch nicht das Passende gefunden haben, erkunden Sie die zahlreichen Vereine und Fitnessstudios Stuttgarts. Von beliebten Ballsportarten wie Basketball, Volleyball, Handball, Tennis und Fußball bis hin zum Turnen beim MTV, Stuttgarts größtem Turnverein, ist alles dabei.

Stuttgart bietet zudem eine breite Palette an Nischensportmöglichkeiten, die nicht nur die körperliche Fitness fördern, sondern auch soziale Interaktion, kulturellen Austausch und persönliches Wachstum ermöglichen. Neben dem aufstrebenden Bouldern, das sowohl erfahrene Kletterer als auch Neulinge anzieht, bieten auch Parkour, Skating, Schachboxen und Hobbyhorsing aufregende Möglichkeiten für Sportbegeisterte.

Diese Sportarten mögen vielleicht nicht die gleiche öffentliche Aufmerksamkeit wie Mainstream-Sportarten erhalten, dennoch bereichern sie das sportliche und kulturelle Leben der Stadt auf vielfältige Weise. Worauf warten Sie noch? Probieren Sie es einfach aus!


Floriane Fuchs und Julia Riester

Architekt(o)ur durch Stuttgart – bedeutende Sportbauten

In diesem besonderen Rundgang durch Stuttgart vereinen sich beeindruckende Architektur und Orte der Bewegung zu einer inspirierenden Tour. Unser erster Halt ist die MHP-Arena, die von bis zu 60.449 Fans pro Spiel besucht wird und wohl jedem Stuttgarter bekannt ist. Ursprünglich als Stuttgarter Kampfbahn 1929-1933 erbaut, ist sie die Heimat des “Vereins für Bewegungsspiele Stuttgart”. Unter der Leitung des Architekten Paul Bonatz und seines Studienfreunds Friedrich Scholer entstand dieses Stadion, das im Laufe der Jahre nicht nur seinen Namen, sondern auch sein Erscheinungsbild veränderte. Als Vorreiter zeichnete es sich durch das erste freiauskragende Dach aus Stahlbeton über der Tribüne aus und diente sogar als Vorbild für das Olympiastadion in Berlin. Neben Fußball fanden hier diverse Veranstaltungen wie Turnen, Boxen und Konzerte statt. Nach dem Krieg nutzte die US-Besatzung es zeitweise für Baseball-Spiele. Von 2008 bis 2011 wurde es ausschließlich zum Fußballstadion umgebaut und ist auch heute noch ein beliebter Treffpunkt für Fußballfans.

Die nächste Station ist das Inselbad in Untertürkheim, das erste Freibad Stuttgarts, dessen Bau 1927 von Scholer und Bonatz beauftragt wurde. Sie erweiterten den bestehenden Komplex von 1927-1929, um ein Restaurant und ein Familienbad mit einem 100m-Becken für Schwimmkurse, ein Frauenbad, später als FKK-Bereich genutzt, Bereiche für Kriegsversehrte sowie Sport- und Springerbecken mit bis zu 10m hohen Sprungtürmen. Ab 2000 wurde das Bad denkmalgerecht saniert und umstrukturiert, wobei das 100m-Becken in zwei separate Becken aufgeteilt und das Versehrtenbecken den großen Becken zugeordnet wurde, um auch heute noch die Symbiose von Sport und Architektur zu erleben.

Zu guter Letzt werfen wir einen Blick auf ein historisches Gebäude, das die Stuttgarter Innenstadt prägt, und eine moderne Neuinterpretation, die für viel Aufsehen sorgte: das Stuttgarter Ballett und die John Cranko Schule. Das »Große Haus«, von 1909 bis 1912 nach den Entwürfen von Max Littmann erbaut, beherbergt das Stuttgarter Ballett und die Staatsoper, und ist sowohl für seine Aufführungen als auch für seine beeindruckende Architektur einen Besuch wert. Fast 100 Jahre später, von 2015 bis 2020, entstand die John Cranko Schule nach dem Entwurf von Burger Rudacs Architekten, ein i modernes architektonisches Highlight. Gegründet wurde die Schule bereits 1971 von John Cranko, einem renommierten Ballettdirektor, der dem Stuttgarter Ballett schon ein Jahrzehnt zuvor großen Ruhm verschafft hatte. Ein Geheimtipp ist die Veranstaltung »Ballett & Brezeln« der Schule, bei der man den Tänzern bei ihren Proben zuschauen und anschließend bei Brezeln und angeregten Gesprächen die Atmosphäre genießen kann.



Anna Spiller

Bild: Fiona Langensiepen

Angeeignete und temporäre Sporträume in Stuttgart

Um sportliche Aktivitäten und Bewegung fest in den Alltag der Stuttgarter:innen zu verankern und gleichzeitig lebendige Treffpunkte zu schaffen, verwandeln wir öffentliche Flächen und Räume immer wieder in temporäre Sportarenen. Durch die Installation von Pop-Up Sportgeräten machen wir uns weniger von dauerhaften Sportinfrastrukturen abhängig und hauchen leblosen Plätzen eine kreative Funktion ein. Doch nicht nur durch gezielte Maßnahmen der Stadt werden diese Räume belebt – auch die spontane Nutzung von Plätzen, Treppen und Straßen durch die Eigeninitiative der Bewohner:innen gehört zum pulsierenden Bild Stuttgarts.

Diese temporären Sportoasen ermöglichen eine flexible und unkomplizierte Nutzung, indem sie den Menschen in der Stadt die Freiheit geben, Sport zu treiben, ohne auf etablierte Sportstätten angewiesen zu sein. Dies fördert die Bewegungsfreiheit und unterstützt einen gesunden, aktiven Lebensstil. Darüber hinaus tragen sie dazu bei, Gemeinschaften zu stärken und soziale Bindungen zu fördern, indem sie als Treffpunkt für Begegnungen und Austausch dienen.

In Stuttgart sind solche Initiativen zahlreich vertreten: Ob Boccia auf dem sandigen Untergrund des Erwin Schöttle-Platzes, Skateboarding zwischen den Kalksteinblöcken des kleinen Schlossplatzes oder Parkour auf dem Unicampus in Vaihingen – der Stadt sind keine Grenzen gesetzt. Selbst die traditionellen Stäffeles haben längst eine neue Funktion als vertikale Ausdauerbahnen gefunden.

Neben der organischen Nutzung des Stadtraums werden auch gezielt Orte von der Stadt und verschiedenen Initiativen mit mobilen Sportgeräten ausgestattet, um ungenutzten Flächen neues Leben einzuhauchen. Ein herausragendes Beispiel ist der österreichische Platz, besser bekannt als »Öschi«, im Herzen Stuttgarts. Hier bieten Tischtennisplatten, Boulderwände, ein mobiler Pumptrack und weitere Geräte eine Spielwiese für Jung und Alt, Anfänger und Fortgeschrittene, mitten unter einer viel befahrenen Kreuzung.

Dieses Projekt wird derzeit vom Amt für Sport und Bewegung der Stadt betreut und gestaltet, wobei die Initiative Stadtlücken e.V. den Prozess aktiv begleitet. Um die Nutzung der Angebote am »Öschi« niedrigschwellig und spontan zu gestalten, kann verschiedenes Equipment, darunter Tischtennisschläger und sogar BMX-Räder, kostenlos ausgeliehen werden. Ergänzt wird das Angebot durch spannende Veranstaltungen wie Ping-Pong-Nights oder Skateweeks.

Eine weitere innovative Idee ist der »Skatepark in a Box« der Initiative »Stuttgart bewegt sich«. Hierbei handelt es sich um einen Container, der durch Stuttgart wandert und in der Nähe von Schulen oder Jugendzentren aufgestellt wird. Dort können Skateausrüstungen ausgeliehen werden, um sich auf unkonventionelle Art in der Stadt zu bewegen.

Ähnliche Konzepte finden sich auch auf dem Action-Platz bei der Sporthalle Waldau oder auf dem Diakonissenplatz im Stuttgarter Westen. Dort kann man sich die »SportBox« ausleihen, die eine Vielzahl professioneller Spiel- und Sportausrüstungen bereithält. Neben Fußbällen, Frisbees und Gymnastikbändern findet man hier auch Slacklines oder Wikinger-Kubb.

Auch wenn diese spontanen und spezialisierten Sportarten bei einigen Unmut hervorrufen und durch entstehenden Lärm als störend empfunden werden, so bieten die angeeigneten und gestalteten Sportoasen eine große Chance für die Stadtentwicklung. Sie tragen dazu bei, dass das städtische Leben bunter und lebendiger wird und vernachlässigte Räume eine neue Bedeutung erhalten, ohne den langwierigen Prozess einer offiziellen Neu- oder Umgestaltung durchlaufen zu müssen. Ganz nach dem Motto »Was fehlt, wird sich genommen.«

Fiona Langensiepen und Johannes Tahedl

Bild: Fiona Langensiepen
Bild: Jil Giesler

Bewegung am Neckar: Potenzial und Herausforderungen

Der Neckar in Stuttgart wird von vielen noch unterschätzt, wenn es um sportliche Aktivitäten geht. Dabei bietet dieser Fluss, nahe der Stadtmitte, eine wunderschöne Outdoor-Kulisse. Kanufahren, Kajakfahren und Stand-Up-Paddeln locken Wassersportbegeisterte an. Doch trotz seiner Anziehungskraft gibt es auch einige Herausforderungen, die seine Nutzung einschränken.

Die Wasserqualität des Neckars leidet unter Verschmutzung und Abwasserbelastung, was potenzielle Nutzer abschrecken kann. Zudem variieren Fließgeschwindigkeit und Strömung je nach Wetterlage, was einige Wassersportarten riskant machen kann. Entlang des Neckars fehlt oft die notwendige Infrastruktur und Einrichtungen für Sportaktivitäten. Sichere Anlegestellen, Umkleide- und Duschmöglichkeiten sowie sanitäre Einrichtungen sind rar, was die Nutzung des Flusses für Sportler:innen einschränkt. Industrieaktivitäten entlang des Neckars und der Schiffsverkehr können ebenfalls zu Beeinträchtigungen und Sicherheitsrisiken führen.

Trotz dieser Herausforderungen bietet der Neckar jedoch eine Vielzahl von Möglichkeiten für Sportbegeisterte. Kilometerlange Uferpromenaden und Radwege laden zum Joggen, Radfahren und Spazierengehen ein. Um den Neckar zu einem attraktiveren Ort für Sport- und Freizeitaktivitäten zu machen, sind jedoch Investitionen in die Reinigung und den Schutz des Flusses sowie den Ausbau der sportlichen und sozialen Infrastruktur erforderlich. Dies erfordert ein koordiniertes Engagement von Regierung, lokalen Behörden und der Gemeinschaft, um den Neckar zu einem sicheren und ansprechenden Ort für Sportler:innen und Naturliebhaber:innen gleichermaßen zu machen.

Jil Giesler

»Skateboard fahren verboten!«

Mitten im geschäftigen Herzen von Stuttgart, am historischen Schlossplatz, steht ein einsames Verbotsschild. Kaum beachtet im hektischen Treiben des Alltags, vermittelt es eine deutliche Botschaft. Dahinter verbirgt sich eine besondere Kulturgeschichte Stuttgarts.

Der »alte« Schlossplatz war einst ein Hotspot für die Skate-Szene der Kesselstadt. Seit den 80er Jahren versammelten sich hier lokale und international renommierte Skater:innen, um die großzügigen Flächen und die vielseitige Architektur des Platzes zu erobern. Die verschiedenen Treppen, Steigungen, Objekte und Handläufe machten den Platz zu einem riesigen Skate-Park. Im Laufe der Jahre hat er sich verändert. Neue Gebäude wurden errichtet, und mit ihnen kamen neue Herausforderungen für die Skater:innen. Doch eine Herausforderung ist konstant geblieben: die geringe Akzeptanz gegenüber ihrer Kultur. Einst wurden sie vom Schlossplatz vertrieben, und heute werden Schilder aufgestellt, die das Skaten gänzlich untersagen.

Dabei könnte die Skate-Kultur den Schlossplatz weiterhin zu einem lebendigen Treffpunkt für Menschen machen. Die Möglichkeit besteht darin, den Platz nicht nur als Verkehrsfläche zu betrachten, sondern als einen Ort der Begegnung und Kreativität zu gestalten – und das mit vergleichsweise geringem Aufwand.

Ein bemerkenswertes Beispiel für die positive Integration der Skate-Kultur findet sich vor dem MACBA Museum in Barcelona. Dort wird das Skaten nicht nur geduldet, sondern als eine Attraktion angesehen, die die Vielfalt und Lebendigkeit der Stadt widerspiegelt. Museumsbesucher:innen genießen das Schauspiel, während die Cafés und Geschäfte des Platzes von der belebten Atmosphäre profitieren.

Es ist an der Zeit, dass die Skate-Kultur als eine wertvolle Bereicherung für die Stadt erkannt wird und den Skater:innen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Leidenschaft frei auszuleben. Auf diese Weise kann der Schlossplatz auch wieder zu einem lebendigen Zentrum für Kreativität, Sport und Gemeinschaft werden.

Alparslan Karavas

Bild: Fiona Langensiepen

Fankultur in Stuttgart

In den Straßen Stuttgarts spiegelt sich die lebendige Fankultur der Stadt deutlich wider, insbesondere durch ihre Fußballvereine. In Cannstatt sind Graffitis mit dem Schriftzug »CC97« allgegenwärtig, was für »Commando Cannstatt 97«, die größte Ultra-Gruppierung des VfB Stuttgart, steht. Auf dem Weg nach Degerloch, insbesondere auf der Waldau, fallen blau-weiß angemalte Stromkästen auf, die das »Revier« der Stuttgarter Kickers markieren sollen. Obwohl beide Vereine in Rivalität zueinanderstehen, teilen sie doch eine enge Bindung zur Stadt Stuttgart und eine treue Anhängerschaft.

Die zahlreichen Graffitis und Aufkleber der Fangruppen prägen aktiv das Stadtbild. Sie sind nicht nur für Fans, sondern auch für Unbeteiligte deutlich sichtbar und drängen sich so in den Vordergrund. Oft schmücken diese Markierungen Fassaden, Unterführungen oder Brückenpfeiler und variieren in Größe und Umfang – sei es ein kleiner »SVK«-Schriftzug an einer Hauswand oder ein großes Graffiti, das dem VfB Stuttgart gewidmet ist und eine ganze Schallschutzmauer entlang verziert.

Mit einer Geschichte, die bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreicht, verfügen die Fangruppen beider Stuttgarter Fußballclubs über eine traditionsreiche Historie, die im Laufe der Jahre stetig gewachsen ist. Die Ultra-Gruppierungen beider Vereine haben sich besonders in den 1990er Jahren etabliert. Die »Blaue Bomber 95«, die Ultra-Gruppierung der Stuttgarter Kickers, wurde beispielsweise im Jahr 1995 gegründet und gehört damit zu den ältesten deutschen Ultragruppen.

Heute gibt es allein in Stuttgart 79 offizielle Fanclubs des VfB, und an Auswärtsspieltagen versammeln sich zahlreiche Fans in Stuttgarter Kneipen und Bars, um gemeinsam die Spiele ihres Teams zu verfolgen. Doch nicht nur im Fußball erfreuen sich Stuttgarter Vereine großer Beliebtheit. Das führende American Football Team »Stuttgart Surge«, der Handball-Bundesligist »TVB Stuttgart« und der Volleyballverein »Allianz MTV Stuttgart«, vierfacher deutscher Meister bei den Damen, sind weitere Publikumsmagnete der Stadt.

Aron Gruener

Warum Stuttgart genauso Rad- wie Autostadt sein könnte

Wenn man weltweit erwähnt, dass man aus Stuttgart stammt, wird einem sofort ein anerkennendes »Porsche« und ein zustimmendes »Mercedes« entgegengeschleudert. Verständlich, denn schließlich war Stuttgart seit jeher die Autostadt schlechthin und hat wenig unternommen, um diese Tatsache zu ändern. Neue Fahrspuren, wenige Tempolimits und breite Stadtautobahnen sowie Parkplätze an jeder Ecke scheinen dem Grundgedanken zu entsprechen: »Wir sind eben diese Autostadt, und das war schon immer so.« Dabei hätte sich Stuttgart genauso gut zur Fahrradstadt der Nation entwickeln können.

Schließlich trug der Stuttgarter Turnlehrer Johann Friedrich Trefz maßgeblich zur Entwicklung des heutigen Fahrrads bei, indem er den ersten Tretkurbelantrieb auf das Hinterrad konstruierte. Dies war ein entscheidender Schritt. Das von ihm konzipierte Rad nutzte die Arbeiterbewegung Ende des 19. Jahrhunderts, um Menschen zusammenzubringen und das ursprünglich einsame Radfahren zu einem Gemeinschaftssport zu entwickeln. Unter dem Motto »Massensport statt Kampfrekord« führten sie den Klassenkampf auf dem Rad.

Die Idee, das Rad als Lösung für das städtische Verkehrsproblem zu nutzen, ist nicht neu. Bereits vor 40 Jahren positionierten sich Radfahrer per Fahrraddemo gegen die »Benzinbürger«. Als 1987 die Tour de France, das wichtigste Radrennen der Welt, nach Stuttgart kam, feierte die Stadt ein dreitägiges Sport-Stadtfest und lockte Millionen Zuschauer an den Straßenrand. Vier Jahre später wurde die Straßenrad-Weltmeisterschaft in der Landeshauptstadt ausgetragen, und über 300.000 Menschen säumten die Strecke, ein Zuschauerrekord! Sogar Eddy Merckx fand den herausfordernden Kurs »sehr schön«.

Trotz einiger Dopingskandale im Profibereich und einer autofreundlichen Verkehrspolitik im Alltag gibt es immer noch Hoffnung auf eine Rückkehr der Begeisterung für das Radfahren in Stuttgart. Die steile Topografie der Stadt mag ein Hindernis sein, aber mit E-Bikes, der aufkommenden Verkehrswende und dem zunehmenden Interesse am heutigen, sauberen Profiradsport könnte die Begeisterung für das Fahrrad zurückkehren und den Radsport als sportliche Betätigung wieder in den Alltag und auf die Straßen Stuttgarts bringen.


Julia Rudolph

Zu guter Letzt ein Aufruf: Schul-Sportplätze für alle!

Bild: IBA’27

Wir setzen uns für eine Initiative ein, die den Sport fest in den städtischen Alltag integriert und Räume schafft, die zur Bewegung anregen. Ein wesentlicher Aspekt hierbei sind die zahlreichen ungenutzten Sportplätze auf dem Gelände unserer Schulen, die der Öffentlichkeit außerhalb der Unterrichtszeiten nicht zugänglich sind.

Diese wertvollen Ressourcen liegen brach, während wir gleichzeitig über den Mangel an Sporteinrichtungen in der Stadt klagen. Anstatt neue Sportanlagen zu errichten, sollten wir die vorhandenen Ressourcen effizient nutzen und die Schul-Sportplätze für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Dadurch könnten wir nicht nur den Bedarf an neuen Bauprojekten reduzieren, sondern auch den Raum für Bewegung und Sport in unserer Stadt erheblich erweitern.

Die Bedenken hinsichtlich Haftungsfragen bei Verletzungen oder Vandalismus sind sicherlich ernst zu nehmen, jedoch sind wir davon überzeugt, dass sie durch eine sorgfältige Planung und Zusammenarbeit überwunden werden können. Durch angemessene Sicherheitsvorkehrungen, Instandhaltungsmaßnahmen und eine gemeinsame Verantwortung können wir die Risiken minimieren und gleichzeitig den Zugang zu den Sportplätzen erleichtern.

Die Öffnung der Schul-Sportplätze würde nicht nur die körperliche Aktivität und Gesundheit der Bürger:innen  fördern, sondern auch die soziale Interaktion und Zusammengehörigkeit stärken. Familien, Freunde und Nachbarn könnten zusammenkommen, um gemeinsam Sport zu treiben und sich zu erholen, was die Bindungen in unserer Gemeinschaft vertiefen würde.

Darüber hinaus ist die gemeinschaftliche Nutzung von Schul-Sportplätzen ein bedeutender Schritt hin zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Statt neue Flächen zu bebauen, sollten wir die bereits vorhandenen Infrastrukturen nutzen und damit Ressourcen schonen und die Umweltbelastung verringern. Dies entspricht unserem Ziel, eine lebenswerte und nachhaltige Stadt für kommende Generationen zu schaffen.

Wir ermutigen die Verantwortlichen, die Möglichkeiten zu überdenken, die sich bieten, wenn wir die Sportplätze unserer Schulen für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Diese Entscheidung würde nicht nur den Sport fest im städtischen Alltag verankern, sondern auch die Lebensqualität und das Wohlbefinden unserer Bürgerinnen und Bürger nachhaltig verbessern.

Halit Yalcin und Dario Erk

Bild: Jil Giesler

ÇA BOUGE EN VILLE – BEWEGT EUCH!
SPORT & ARCHITEKTUR FÜR MORGEN

16. Mai – 30. Juni 2024⁠

Die Ausstellung ÇA BOUGE EN VILLE – BEWEGT EUCH! ⁠ SPORT & ARCHITEKTUR FÜR MORGEN entwickelt von der Site Le Corbusier Firminy und dem Architekturbüro DREAM, stellt die Frage nach dem Platz für Sport in unseren urbanen Lebensräumen. Sie erstreckt sich über fünf Standorte: der Weissenhofwerkstatt im Haus Mies van der Rohe, die Architekturgalerie am Weißenhof, dem Institut Français, dem BDA Wechselraum und dem Schaufenster des IBA’27-Raums in der Calwerstraße.

In diesem Rahmen setzten sich Studierende der Hochschule für Technik Stuttgart im Sommersemester 2024 mit der Bedeutung des Sports für das städtische Leben auseinander. Hier präsentieren sie die Resultate.

⁠Team HFT: Dario Erk, Floriane Fuchs, Jil Giesler, Aron Gruener, Jana Hopfenzitz, Alparslan Karavas, Fiona Langensiepen, Julia Riester, Julia Rudolph, Anna Spiller, Johannes Tahedl, Halit Yalcin

Ausstellungsgestaltung Schaufenster: Fiona Langensiepen, Julia Riester, Julia Rudolph

Betreuung Schaufenster: Bernita Le Gerrette

Mit freundlicher Unterstützung durch die Hochschule für Technik Stuttgart, Freunde des Institut français Stuttgart e.V., Kulturamt der Landeshauptstadt Stuttgart, IBA’27 Friends e.V., Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst BW, Wüstenrot Stiftung.

Webseite: https://www.institutfrancais.de/de/stuttgart#/

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