Stimmen zur IBA’27
Wie kommuniziert man die IBA’27?
Bauausstellungen sind im Lauf der Jahrzehnte größer und komplexer geworden. Sie einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, ist gar nicht so einfach
von Boris Schade-Bünsow
Eine IBA, eine Internationale Bauausstellung, ist in der Debatte und Diskussion über Städtebau und Architektur seit Jahrzehnten ein mächtiges Instrument. Wichtige regionale Aufgaben und Herausforderungen wurden so bearbeitet, ausgestellt und kommuniziert, dass weit über den regionalen Kreis Beispielhaftes und Vorbildliches erarbeitet wurde, was anschließend national und international rezipiert wurde und wird. Dies hat sich auch die IBA’27 StadtRegion Stuttgart vorgenommen. Allerdings steht das Format heute vor besonderen kommunikativen Herausforderungen.
»Der Erfolg einer IBA bemisst sich auch an der Rezeption der Besucher – und deren Anzahl.«
Boris Schade-Bünsow
In der Vergangenheit war das einfacher. So sorgte vor einem Jahrhundert die Bauausstellung »Die Wohnung« mit der Weissenhofsiedlung in Stuttgart, 1927 initiiert und durchgeführt vom Deutschen Werkbund, für ein anderes Verständnis vom Wohnungsbau. Gutes Wohnen wurde demokratisiert und sollte nun für alle gleichermaßen erreichbar sein. Dies wirkt noch heute nach. Es folgten weitere bedeutende Internationale Bauausstellungen, etwa die IBA in Berlin, die 1987 ihren Abschluss fand und mit den Instrumenten der »kritischen Rekonstruktion« eine behutsame Stadterneuerung unter Berücksichtigung des historischen Kontexts zeigte, bei der nicht mehr bedingungslos auf Neubau gesetzt wurde. Der Wert des Bestandes, insbesondere der Gründerzeitbauten und der architektonische Stil, der in den Fokus gerückt wurde, prägt Berlin bis heute.
Herausragend dann die IBA Emscher Park, die in den zehn Jahren ihrer Laufzeit den Grundstein für die Konversion einer riesigen Industrieregion in einen multifunktionalen Raum legte. 1999 wurde diese IBA offiziell abgeschlossen, aber vor weniger als einem Jahr erst wurde eines der letzten Teilprojekte, die Renaturierung der Emscher, beendet. 2013 holte die IBA Hamburg mit dem »Sprung über die Elbe« den prekären Stadtteil Wilhelmsburg nicht nur in das Bewusstsein der Hamburgerinnen und Hamburger zurück, sondern wertete ihn gleichzeitig auf und formte ihn damit zum Wohn- und Lebensraum für breite Gruppen der Bevölkerung. Damit nahm Hamburg den Preisdruck vom Wohnungsmarkt in der Innenstadt.
Bestandteil dieser IBA war aber auch der Umzug der BSU, der ehemaligen Behörde für Stadtentwicklung und Umweltschutz, die mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beherzt über die Elbe sprang und in Wilhelmsburg ein neues Gebäude bezog. Gegenüber befindet sich ein Park, in dem neues experimentelles Bauen im realen Maßstab erprobt wurde. Dort entstand das Wälderhaus, das Wohnhaus zum Selberbauen »Grundbau und Siedler« und ein Haus mit einer begrünten, »energieintelligenten« Fassade.
All diese Bauausstellungen hatten es vergleichsweise leicht, ihre Leistungsschau der Bevölkerung zu vermitteln. Die Ausstellungen waren regional begrenzt. Die Weissenhofsiedlung kann ganz leicht in zwei Stunden durchwandert und besichtigt werden. Im Ruhrgebiet stehen die herausragenden, ikonografischen Architekturkonversionen mehr oder weniger auf einem Fleck. In Hamburg sieht es ähnlich aus. Wer erst einmal in Wilhelmsburg angekommen ist, kann vom Besucherzentrum aus, dem IBA Dock, fußläufig sowohl die Projekte in Wilhelmsburg als auch im »Architekturpark« erwandern. Mehr als einen Tag benötigt man nicht, um sich einen guten Überblick zu verschaffen und den Kern sowie den übergeordneten Sinn der jeweiligen IBA zu verstehen.
Die Kommunikation dazu war deshalb vergleichsweise unkompliziert. Es galt, die Themen der IBA in die Gesellschaft zu tragen, mit attraktiven Veranstaltungen ihre Bedeutung zu unterstreichen und so sorgfältig wie präzise den Ort der Bauausstellung zu definieren. Das ist stets gelungen. Der Erfolg einer IBA bemisst sich nämlich nicht nur am inhaltlichen Konzept und seiner Umsetzung, sondern auch in der Rezeption der Besucher – und deren Anzahl.
Das ist bei den aktuellen Internationalen Bauausstellungen viel komplizierter. Die gerade beendete IBA Heidelberg »Wissen schafft Stadt« fand ihren baulichen Ausdruck verstreut über das Stadtgebiet von Heidelberg und die IBA Thüringen »StadtLand«, die 2023 ihr Abschlussund Präsentationsjahr feiert, bespielt gar ein ganzes Bundesland. Projekte und Identifikationspunkte liegen weit auseinander, Besucherinnen und Besuchern ist es praktisch unmöglich, in kurzer Zeit das Wesen dieser IBAs durch persönliche Anschauung zu erfassen. Wie also kommuniziert man heute eine IBA, die zudem nicht nur von Projekten getragen wird, sondern von Prozessen und Verfahren auf der Metaebene?
»Um für die IBA zu begeistern, muss gezeigt werden, wie es sein wird, und nicht nur, wie es gemacht wird.«
Boris Schade-Bünsow
Die Lösung dieser Aufgabe muss den Bürgerinnen und Bürgern gerecht werden, nicht allein dem Fachpublikum. Dieses nutzt akademische Diskussionen, um Strategien zu entwickeln und zu teilen, mit denen sich die aktuellen städtebaulichen und architektonischen Herausforderungen meistern lassen. Beispielsweise das CO2 emissionsfreie Bauen, bezahlbares Wohnen oder eine architektonische Antwort auf die Veränderung der Büroarbeit und der Mobilität. Dieser akademische Diskurs lässt sich jedoch keinesfalls auf die an Architektur und Städtebau interessierten, potenziellen Besucher übertragen. Um für die IBA zu begeistern, muss gezeigt werden, wie es sein wird, und nicht nur, wie es gemacht wird. Das ist ein wichtiger Auftrag auch für die IBA’27 in Stadt und Region Stuttgart, die inhaltlich auf ganz sicheren Füßen steht. Die Themen sind gesetzt, Produktion, Wohnen und Arbeiten in unterschiedlichen Maßstäben, sozial- und umweltverträglich so gut wie möglich zu vereinen.
Die Dezentralität muss dabei kein Manko sein. Wenn es gelingt, einen zentralen IBA-Ort und eine kontinuierliche Kommunikation mit klaren, eindeutigen Botschaften über den gesamten Wirkungskreis und die Laufzeit der IBA, nicht nur im Abschlussjahr, sondern schon jetzt zu etablieren, dann wird die IBA für alle sichtbar und verständlich werden.
Über den Autor
Seit 2011 ist Boris Schade-Bünsow Chefredakteur der Architekturzeitschrift »Bauwelt«, Berlin. Zuvor war er zehn Jahre lang als Verlagsleiter der Bauverlag BV GmbH, Gütersloh für das inhaltliche Programm des Verlages verantwortlich und davor von 1993 bis 2001 Redakteur und Chefredakteur der TAB Technik am Bau und anderer Baufachzeitschriften des Bauverlags.
Dieser Beitrag ist erschienen in unserem Reader »Stimmen zur Internationalen Bauausstellung StadtRegion Stuttgart«.