Position der IBA’27
Das Züblin-Parkhaus – ein Leuchtturm für eine nachhaltige und sozialverträgliche Quartiersentwicklung
Die IBA’27 hat zusammen mit der Stadt Stuttgart und unterstützt durch ein kompetentes Team von externen Fachleuten (Partizipation, Projektentwicklung, Architektur) ab Mitte 2020 in einem vorbildlichen, zielgeführten und erfolgreichen Prozess mit vielen Beteiligten ein Bild für die Neue Mitte Leonhardsvorstadt entwickelt: Ein großes Haus für das Quartier, offen und durchlässig, Raum für Kreative und das lokale Gewerbe, die Jugend und soziale Institutionen und ungefähr die Hälfte der Fläche günstiger Wohnraum für unterschiedlichste Bedürfnisse, umgeben von Grün- und Freiraum. Trotz und wegen der Einschränkungen durch Corona wurde mit neuen Formen der Beteiligung experimentiert, konnten Gruppen erreicht werden, die sich sonst kaum in solche Prozesse einbringen.
Ende 2020, angeheizt durch die Klimadebatte über den ökologischen Schaden des Bauens und aufgrund von städtebaulichen Studien, die einen Neubau ungefähr auf den Standort des bestehenden Parkhauses begrenzten, kam die Frage auf, ob zumindest Teile der bestehenden massiven Betonstruktur umnutzbar sind. Parallel zur Vorbereitung der Konzeptvergabe fanden deshalb Abklärungen über den Gebäudezustand und die Eignung der bestehenden Struktur für das Raumprogramm statt. Es gab Stimmen aus dem Quartier, die sich vehement für den Abriss des Parkhauses einsetzten. Als Fazit empfahlen wir, dass dieser Entscheid nicht politisch gefällt werden kann, sondern im weiteren Prozess im Zuge der Konzeptvergabe unter architektonischen, ökonomischen und funktionalen Abwägungen mit den Bauwilligen geprüft werden muss. Im Juli 2021 nahm der Gemeinderat den Beteiligungsprozess und dessen Resultate wohlwollend zur Kenntnis. Parallel zur Erarbeitung der Konzeptvergabe folgten weitere technische Abklärungen. Im Juli 2022 stimmte der Gemeinderat der Grundsatzvorlage zum Programm und zur Grundstücksvergabe zu. Die Auslobung der Konzeptvergabe ist bis heute nicht erfolgt.
Wir wissen, dass sich das Züblin-Parkhaus in einem sensiblen und komplexen Umfeld vieler Planungen befindet. Im Herbst 2020 wurde der Wettbewerb über eine Reduktion und Neugestaltung der B14 entschieden, Anfang 2021 gewann das Büro Haas Cook Zemmrich den Wettbewerb für den Mobility-Hub anstelle des Breuninger-Parkhauses, dessen Fertigstellung für das Jahr 2024 geplant war. Anfang 2022 entschied eine Wettbewerbsjury das Projekt für das Haus für Film und Medien, mit dem Ziel, dieses zügig umzusetzen und 2027 im Präsentationsjahr der IBA’27 eröffnen zu können. Diese Projekte werden das Gesicht der Leonhardsvorstadt verändern. Sie bieten große Chancen für eine sozialverträgliche Quartierreparatur und eine massive Aufwertung der Qualität des städtischen Raums, aber sie werden in ihrer Bauzeit erhebliche Belastungen auslösen. Auch dies war ein wesentlicher Grund, weshalb eine möglichst sanfte Transformation des Züblin-Parkhauses ernsthaft untersucht wurde. Die Kehrseite der großen Chance sind aber die Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Projekten. So löst eine Verzögerung des Mobility-Hubs von Breuninger eine Kettenreaktion aus, die sich auf das Haus für Film und Medien und das Züblin-Parkhaus auswirkt, das von Beginn an als Interim für die wegfallenden Parkplätze in der Bauzeit des Mobility-Hubs von Breuninger vorgesehen ist.
Die IBA’27 ist stolz auf den erfolgreichen Beteiligungsprozess und hätte sich gewünscht, dass die Konzeptvergabe für das Züblin-Parkhaus bereits im Jahre 2021 erfolgt wäre. Trotz aller berechtigter Ängste und Bedenken im Quartier wäre dies ein starkes Signal gewesen, dass partizipatives Engagement zu sichtbaren Ergebnissen führt, zu Form, Gestalt und Lebenswelt findet. Bei Interessenskonflikten hätte die IBA’27 moderierend unterstützen können.
Es gibt zweifellos Gründe für Verzögerungen und Verschiebungen. Diese konnte und kann die IBA’27 aber nicht beeinflussen. Das oberste Ziel ist es, mit den Menschen vor Ort und für das Viertel gute Lösungen zu finden. Das Ausstellungsjahr 2027 der Internationalen Bauausstellung ist nach wie vor eine riesige Chance, das um- oder neugebaute Züblin-Parkhaus als exemplarische Stadtreparatur präsentieren zu können. Wir wissen, dass die Zeit dafür mittlerweile sehr knapp ist und dass die aktuelle Situation der Bauwirtschaft die Investorensuche für ein solch anspruchsvolles Projekt nicht vereinfacht. Der Ausnahmezustand auf Zeit, in dem eine IBA agiert, die Dringlichkeit der geschürten Erwartungen und die Perspektive auf einen Leuchtturm sanfter und sozialverantwortlicher Quartiersentwicklung kann aber Kräfte freisetzen, die das Schwierige noch möglich machen.