Genossenschaftliches Wohnen
Ein guter Ort zum Leben
»Dieses Projekt ist nicht nur ein Ort zum Wohnen, sondern ein guter Ort zum Leben«, freuen sich Wiebke und Volkram. Sie sind mit ihrer sechs Monate alten Tochter Mitglieder der Wohnbaugenossenschaft RemstalLeben eG in Schorndorf und planen, in eine der 45 Wohnungen des IBA’27-Vorhabens »Leben in der Vorstadt« einzuziehen. Noch wohnen sie in einer Wohngemeinschaft mit ihrem besten Freund Roman auf dem Stuttgarter Killesberg. Jetzt wollen alle zusammen diese privilegierte Wohnlage gegen die Schorndorfer Vorstadt eintauschen.
Wiebke erzählt, dass sie sich seit Jahren Gedanken darüber gemacht habe, wie sie in Zukunft leben wolle. Die Nachhaltigkeitsökonomin beschäftigt sich schon von Berufs wegen viel mit der Post-Wachstumsökonomie und der Abkehr vom aktuellen Wirtschaftsmodell. Sie ist zu der Überzeugung gelangt: »Alles, was du besitzt, besitzt auch dich. Teilen erleichtert ungemein.« Das gilt auch in wirtschaftlicher Hinsicht, denn über Jahre einen Wohnungskredit allein zu tilgen, bedeutet nicht nur Verzicht, sondern auch einen hohen Zahlungsdruck. Daher hatte die Wohngemeinschaft ursprünglich in Erwägung gezogen, ein Grundstück zu suchen und darauf eine kleine Tinyhouse-Siedlung zu gründen. In Anbetracht begrenzter persönlicher und zeitlicher Ressourcen verwarfen sie diese Idee wieder und schauten sich nach gemeinschaftlichen Wohnprojekten um – denn Leben in der Gemeinschaft ist ihr klares Ziel. Während der Besichtigungen wurde jedoch schnell klar, dass es ganz unterschiedliche Arten von sozialem Miteinander gibt. Wohnen in einer riesigen kommunenartigen WG war dann doch nicht so ihre Sache.
Neuanfang als Impuls
Wiebkes verwitwete Mutter war zu diesem Zeitpunkt schon Mitglied in der Schorndorfer Wohnbaugenossenschaft RemstalLeben eG. Die Tochter fand diesen geplanten Neuanfang toll und »feuerte sie anfangs vom Seitenrand aus an«, wie sie es formuliert. Gleichzeitig glich die WG ihre eigenen Wünsche mit den Ideen der Genossenschaft ab: »Dieses Projekt ist die perfekte Symbiose aus Gemeinschaft und Rückzugsort. Es sind verschiedene Wohnungstypen vorhanden, von kleinsten Appartements bis hin zu Familien- und Clusterwohnungen. Außerdem profitiert man von ganz unterschiedlichen Menschen: Jeder hat andere Fähigkeiten, die er einbringen kann. Man kann sich austauschen und voneinander lernen. Dennoch hat man genügend Privatsphäre in der eigenen Wohnung.« Ökonomische und ökologische Aspekte wie die Gemeinschaftsnutzung etwa von Waschmaschinen, der Werkstatt oder dem Carsharing sind für die drei ebenso große Pluspunkte.
Hohe Lebensqualität in Schorndorf
»Die Stadt Schorndorf hat sich toll entwickelt« bemerkt Wiebke, die als Kind dort aufwuchs, später in Bremen und Schweden sowie eine Zeit lang in den USA lebte. Auch der Schauspieler und Coach Volkram Zschiesche kennt die Anonymität großer Städte: Aufgewachsen in Japan, Korea und Stuttgart ging er zum Studium nach Berlin, arbeitete länger in Ulm und zog schließlich der Liebe wegen wieder in seine Heimatstadt Stuttgart. »Eigentlich wollte ich nie wieder zurück nach Schorndorf«, lacht seine Frau, »aber neben dem schönen Flair in der Altstadt, der guten Infrastruktur, unterschiedlichen Schulen und Freizeiteinrichtungen ist bei Bedarf die Anbindung nach Stuttgart auch sehr gut. In 10 Minuten sind wir zu Fuß am Bahnhof.« Volkram ergänzt: »Beeindruckend ist, dass die Werte und Visionen der Genossenschaft so bodenständig und gleichzeitig zukunftsorientiert sind. Sie decken sich komplett mit unserer Vorstellung von gemeinschaftlichem Miteinander und unserem Bedürfnis nach Rückzug. Auch die Ideen zur denkmalgeschützten Scheune, in der eine Kantine untergebracht werden soll, oder das Konzept der geplanten Pflege-WG finden wir besonders schön, weil diese Funktionen einen Ort des gemeinsamen Wachsens und Entwickelns schaffen. Die Gründer Lisa Kober und Michael Knödler denken sehr nachhaltig, was reizvoll und stimmig ist.« Alle Genossenschaftsmitglieder sind in den Planungsprozess eingebunden und können mitentscheiden, wie sie zusammenleben wollen.
Der Siegerentwurf des Architekturbüros Kaiser Shen aus Stuttgart, der aus einem Wettbewerb mit fünf eingeladenen Teilnehmern hervorgegangen ist, war auch ihr persönlicher Favorit. Besonders der überwiegende Erhalt der Streuobstwiesen sowie das stimmige Konzept mit halböffentlichen Bereichen, unter anderem über Verbindungsstege, hat sie begeistert. »Wir möchten, dass sich unsere Tochter schon früh selbst auf den Weg machen und draußen geschützt mit anderen spielen und von ihnen lernen kann. Das gehört für uns zu einem entspannten Familien-Setting dazu.« Und dass die eigene Oma gleich nebenan wohnt, freut nicht nur die Enkelin…
Vorhaben im IBA’27-Netz: »Leben in der Vorstadt«
Das Wohnbauprojekt »Leben in der Vorstadt« ist Teil des IBA’27-Netzes. Initiiert von der Genossenschaft RemstalLeben eG, soll in der Schorndorfer Vorstadt auf einem ehemaligen bäuerlichen Anwesen – inklusive denkmalgeschützter Bestandsgebäude – ein Ort geschaffen werden, der solidarisches, nachhaltiges Zusammenleben ermöglicht. Auf dem ca. 4.500 Quadratmeter großen Gelände werden neben innovativen Wohnkonzepten wie Mehrgenerationen-Wohnen, Cluster- und Mikrowohnungen, Familien-Maisonetten sowie einer Pflegewohngemeinschaft, außerdem eine Kantine, verschiedene Coworking-Spaces, eine Werkstatt und eine Pension für Gäste entstehen. Den Realisierungswettbewerb gewann das Stuttgarter Büro Atelier Kaiser Shen, deren Entwurf nun Grundlage für die weiteren Planungen sind.
Die Genossenschaft RemstalLeben ist auf der Suche nach weiteren Mitgliedern. Nähere Infos finden Sie hier.